„Achtsam morden“ – Karsten Dusse

„… Ich konnte sie nicht darauf hinweisen, dass der Silberstreifen am Horizont, gerade durch eine Reihe von Handgranaten-Explosionen untermalt wurde, die ich erst mal nicht als Sonnenaufgang fehlinterpretieren würde. Aber ich wollte ihr die Freude auch nicht nehmen. Wer weiß, vielleicht explodierte das alles um mich herum ja gerade im Sonnenaufgang. …“ (Seite 251)

Björn Diemel wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeits-Seminar zu besuchen, um seine Ehe ins Reine zu bringen, sich als guter Vater zu beweisen und die etwas aus den Fugen geratene Work-Life-Balance wieder herzustellen. Denn Björn ist ein erfolgreicher Anwalt und hat dementsprechend sehr wenig Zeit für seine Familie. Der Kurs trägt tatsächlich Früchte und Björn kann das Gelernte sogar in seinen Job integrieren, allerdings nicht ganz auf die erwartete Weise. Denn als sein Mandant, ein brutaler und mehr als schuldiger Großkrimineller, beginnt, ihm ernstliche Probleme zu bereiten, bringt er ihn einfach um ― und zwar nach allen Regeln der Achtsamkeit.

Achtsam morden ist die Geschichte eines bewussten und entschleunigten Mordes, der längst überfällige Schulterschluss zwischen Achtsamkeitsratgeber und Krimi, vor allem aber ein origineller Unterhaltungsroman.

Björn ist eigentlich Anwalt geworden, um für Gerechtigkeit zu kämpfen, allerdings ist einiges schiefgelaufen, denn in der Kanzlei, in der er arbeitet, ist sein spezieller Mandant eine Unterweltgröße, die er immer wieder aus der Scheiße ziehen muss. Zeit für Frau und Kind bleibt da nicht wirklich und so hat die Göttergattin irgendwann die Schnauze voll und verdonnert den holden Ehemann zum Achtsamkeitstraining nebst räumlicher Trennung. In seinen Sitzungen bei Joschka Breitner lernt er jedoch wichtige Dinge fürs Leben, die er sofort anwendet und ehe er sich versieht, befindet sich der ungeliebte Mandant tot im Kofferraum seines Wagens. Okay, selbst Schuld, was musste er stören, als Björn Zeit mit seiner Tochter verbringen wollte.
Man muss halt Prioritäten setzen. Doch mit dem toten Gangsterboss ist es noch lange nicht getan, immerhin steht eine ganze Organisation hinter ihm und die muss bei Laune gehalten werden …

Zu Beginn erstmal folgendes: Das Buch ist nicht nur ein Krimi, (irgendwie passt mir die Bezeichnung hier nicht so ganz, aber überall wird es so aufgelistet, also übernehme ich das einfach mal) sondern eben auch ein Ratgeber der ganz besonderen Art, denn Björn lernt bei seinen Sitzungen vor allem, wie sein Leben besser in den Griff bekommt, mehr Wert auf die wirklich wichtigen Dinge legt, achtsam ist. Und so steht zu Beginn jeden Kapitels ein Auszug aus dem Buch „Entschleunigung auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte“ seines Coaches Joschka Breitner, der das Geschehen kurz zusammenfasst, eine sehr lange Überschrift, sozusagen. Faszinierend dabei ist, dass man für sich selbst durchaus das eine oder andere daraus mitnehmen kann, so wie Björn. Gut, Breitner hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass der Anwalt seine Ratschläge auf eine eigene Art und Weise auslegt und erstmal den Bösewicht Dragan loswird, wobei das ja fast noch so ein bisschen als Unfall ausgelegt werden kann. Was darauf folgt dann allerdings nicht mehr. Und dennoch findet man Diemel sympathisch, viele Dinge, die ihm passieren, kommen mir erschreckend bekannt vor, vielleicht sollte ich ja tatsächlich mal über seine Lösungsansätze nachdenken …^^ Zumindest bei seiner Frau scheint die ganze Sache ja irgendwie zu funktionieren, immerhin hat er jetzt mehr Zeit für Dinge, die ihm früher nicht mal in den Sinn gekommen sind, ein Ausflug mit dem Töchterchen auf den Spielplatz zum Beispiel.
Entscheidungen muss er nach wie vor treffen, allerdings haben die jetzt ganz andere Ausmaße. Einen Gangster vorm Knast zu bewahren oder entscheiden zu müssen, wie man ein abgetrenntes Körperteil am Besten konserviert, ist halt schon ein Unterschied. Und obwohl der Anwalt immer weiter vom rechten Weg abkommt, ist es einfach nur amüsant, seinen Werdegang zu verfolgen, auch wenn er manche Dinge einfach zu leicht wegsteckt…
Obwohl ich das Cover schon irgendwie mit innerer Balance in Verbindung bringe und die Blutflecken zeigen, dass es nicht ganz so harmlos zugeht, bin ich damit nicht wirklich zufrieden, irgendwie wirkt es doch recht steril, ganz im Gegensatz zum Inhalt.

Auch wenn man sonst keine „Ratgeber“ mag, so empfehle ich doch, hier mal über den eigenen Schatten zu springen und eine Ausnahme zu machen, denn das Buch ist, trotz an sich harter Story vor allem eins, zum Totlachen. Nicht immer, aber eben doch eben immer wieder. Der Schreibstil passt perfekt zum Geschehen, Anwalt Diemel plaudert ja praktisch aus dem Nähkästchen und was er so auf die Beine stellt, um nicht aufzufliegen – Respekt.^^ Dafür kann er 4 von 5 Miezekatzen einsacken.

01. „Achtsam morden“
02. „Das Kind in mir will achtsam morden“
03. „Achtsam Morden am Rande der Welt“

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