„Der 5-Minuten-Killer“ – Paul Cleave

“ … Eine andere Version von Schroder. Eine andere Version von Bridget. Und ich? Welche Version von Tate wird sich jetzt um die Sache kümmern? Tate der Säufer? Es ist ein Jahr her, dass er und ich miteinander geplaudert haben. Oh Mann, wie er mir fehlt. Tate der Mörder? …“ (Seite 346)

Er gibt dir fünf Minuten – mit dem Menschen, den du am meisten hasst.
Für jeden Detective ist es ein Albtraum: Die Begegnung mit den Angehörigen von Mordopfern, die tief erschüttert nur noch einen Wunsch haben. Fünf Minuten alleine mit dem Täter, fünf Minuten, um sich zu rächen. Der Polizist Theo Tate kann ein Lied davon singen, denn seine Heimatstadt Christchurch ist in den letzten Jahren von mehreren brutalen Verbrechensserien heimgesucht worden. Und jetzt ist es wieder soweit. Ein perfider Mörder terrorisiert die Stadt. Er wird bekannt als der Fünf-Minuten-Killer, denn er gibt den Hinterbliebenen von Gewaltopfern eben jene fünf Minuten der Rache: Ob sie wollen oder nicht ….

Theodor Tate und seine Partnerin Rebecca Kent werden zum Tatort eines Verbrechens gerufen, ein ihnen bekannter Vergewaltiger liegt auf den Schienen. Doch hat er wirklich Selbstmord begangen? Warum ist der Tank seines Wagens leer?
Wie sich herausstellt, ist er seinem früheren Opfer gefolgt, aber ist er auch bei ihr angekommen? Hat die Frau gar etwas mit seinem Tod zu tun? Tate entdeckt Einbruchsspuren an ihrem Fenster und auch der Duschvorhang scheint neu zu sein. Aber wie entsorgt so eine zarte Frau eine Leiche? Sie muss Hilfe gehabt haben und langsam aber sicher keimt in Theo ein schrecklicher Verdacht …

Achtung, enthält Spoiler zu den Vorgängern, wer die nicht kennt, sollte besser nicht weiterlesen …
Paul Cleave hatte mich schon mit dem ersten Teil seiner Reihe, nach Joe Middleton war mir nie wieder ein Killer so sympathisch. Bis jetzt.
Gleich zu Beginn gibt es immer wieder dezente Hinweise, wer der 5-Minuten Killer ist und man denkt sich kopfschüttelnd, nein, das ist viel zu auffällig, niemals. Und doch ist es so, der „Bösewicht“ in diesem Teil ist kein geringerer als Carl Schroder, Theos ehemaliger Partner. Auch wenn das sehr früh klar ist, büßt das Buch dadurch keineswegs an Spannung ein, denn man begleitet sowohl Theo, als auch Carl. Das beide ihre Leichen im Keller haben, ist bekannt, wenn man die Vorgänger gelesen hat. Beiden hat das Schicksal übel mitgespielt, doch während Tate „nur“ sein Kind verloren und eine Frau mit Blackouts hat, steckt in Schroders Hirn eine Kugel, die ihn jederzeit töten kann und ihn unfähig macht, noch irgendetwas zu empfinden. Er ist verbittert, doch dann findet er etwas, dass ihm Genugtuung gibt, er wird der 5-Minuten Killer, jetzt, wo er kein Polizist mehr ist, kann er Opfern oder Hinterbliebenen das geben, was sie sich am meisten wünschen, 5 Minuten mit demjenigen, der ihr Leben zerstört hat. Doch gleich beim ersten Mal läuft etwas schief, das zweite endet im totalen Desaster, unschuldige Menschen sterben…
Ein Thema, das polarisiert und zwei Polizisten, die keine Unschuldsengel sind. Während Carl eine alte Frau erschossen hat und entlassen wurde, hat Theodore sich an dem Mörder seines Kindes gerächt und ist damit davongekommen. Die beiden Männer verbindet etwas, sie waren Partner und Freunde, jetzt stehen sie jedoch auf verschiedenen Seiten und dennoch verstehen sie einander.

„…Wir waren uns mal so ähnlich“, sagt er. „Und dann haben wir jeder einen anderen Weg eingeschlagen. Aber wir sind beide an denselben Orten gewesen und haben dieselben Dinge gesehen. Schlimme Orte und schlimme Dinge …“ (Seite 583)

Ja, ich habe Mitleid, ich verstehe, was Carl antreibt, immerhin hat er nichts mehr zu verlieren. Natürlich ist sein Handeln verwerflich und trotzdem halten ihn einige für einen Helden, denn er tut, wozu die Polizei nicht in der Lage ist. Und Tate verhaftet ihn nicht, obwohl er früh weiß, was abgeht, ein Gewissenskonflikt tobt tief in seinem Inneren.
Verstehe ich diese Handlungen? Definitiv ja. Wäre ich eine von denen, die nach Rache schreit? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht und mag darüber auch gar nicht weiter nachdenken…
Beide Charaktere handeln für mich durchaus nachvollziehbar und auch wenn es komisch klingt, irgendwie hat mich das betroffen gemacht, gerade Carls Schicksal, auch wenn seine Interpretation von Gerechtigkeit natürlich fragwürdig ist …

Auch wenn dem 8. Band der schwarze Humor fast gänzlich fehlt, so hat mich „Der 5-Minuten Killer“ doch sehr gefesselt, allein schon wegen der Thematik. Hat man als Opfer ein Recht auf Rache? Und was ändert es, wenn man sie bekommt? Fragen über Fragen, auf die der Autor seine Leser selbst antworten lässt, ohne die Moralkeule zu schwingen. Etwas anderes hätte hier auch gar nicht gepasst…
Für mich persönlich ist dieses Buch eins der besten dieser Reihe, eben weil es so aufwühlt und aus genau diesem Grund gibt es auch 4,5 von 5 Miezekatzen.
Unbedingt lesen.

Christchurch Reihe:
1.  Der siebte Tod
2.  Die Stunde des Todes
3.  Die Toten schweigen nicht
4.  Der Tod in mir
5.  Die Totensammler
6.  Das Haus des Todes
7.  Opferzeit
8.  Der 5-Minuten Killer
9.  Zerschnitten
10. Die Saat des Killers

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