„Toter Schmetterling“ – Simone Trojahn

“ … Dass die Hoffnung zuletzt stirbt, das wissen wir alle, aber dass dieses elende Ding um keinen Preis verrecken will, ist echt eine Zumutung! Schließlich bin ich derjenige, der dieses Leben in all seiner Hässlichkeit ertragen muss, nur weil sich die Hoffnung wie ein Blutegel an mir festgesaugt hat und einfach nicht loslassen will. …“ (Seite 62)

Er war jung und hatte sein ganzes Leben noch vor sich, doch das Schicksal gab ihm keine Chance.

Liam ist noch ein kleiner Junge, als er zum Hauptverdächtigen in einem schrecklichen Mordfall wird. Jahrelang sitzt der Schock so tief, dass er lieber unschuldig in der Psychiatrie verharrt, als die Identität des wahren Täters preiszugeben, der indessen ein erfolgreiches Leben führt. Als Liam schließlich entlassen wird, ist er ein gebrochener Mann, zerfressen von Hass und Rachegelüsten. Schmerzlich realisiert er, dass er sein altes Leben niemals zurückbekommen wird und ganz allein auf der Welt ist.
Doch wer nichts besitzt, kann auch nichts verlieren. Mit unermesslicher Brutalität startet Liam einen Rachefeldzug, der in einer Katastrophe enden wird, die an Tragik nicht zu überbieten ist.

Zwei Brüder, die nichts gemeinsam haben, einer still und in sich gekehrt, der andere völlig gefühllos und manipulierend, dazwischen ein wehrloses kleines Mädchen, das sein Leben lassen muss.
Liam ist 12, als er auf das grausame Geheimnis seines Bruders stößt. Ein gutes Verhältnis hatte er zu ihm nie, aber das sprengt selbst seine Vorstellung von dem fiesen Jungen, der ihn immer drangsaliert. Dennoch schweigt Liam und das wird ihm zum Verhängnis, denn am Ende muss er für das Verbrechen geradestehen und seine Familie wendet sich von ihm ab.
Jahre später wird Liam entlassen und sucht Kontakt, doch auch diesmal gerät die Sache aus dem Ruder …

Puh, „Toter Schmetterling“ ist ein sehr beeindruckendes Buch, dass zeigt, was aus einem Kind wird, dem man plötzlich Liebe und Zuneigung entzieht.
Liam tut mir zwar unendlich leid, trotzdem rechtfertigt das in keinster Weise seine Tat und im Endeffekt hat er sich all die Geschehnisse ja auch selbst zuzuschreiben.
Dass er als kleiner Junge Angst vor seinem großen Bruder hat, kann ich total nachvollziehen, aber warum zum Teufel hat er danach nicht den Mund aufgemacht? Warum hat er jahrelang geschwiegen und all den Hass in sich hineingefressen? Was ist mit ihm geschehen, nachdem sich alle von ihm abgewandt haben? Hätte man das verhindern können?
Eine Kinderseele ist verletzbar und von jetzt auf gleich aufs Abstellgleis geschoben zu werden, muss  verdammt hart sein, ich mag mir das gar nicht vorstellen. dennoch finde ich seine Tat abscheulich, auch wenn er ja in gewisser Weise provoziert wurde.
Im Gegensatz zu seinem Bruder ist er jedoch der Gute,  (kann man das hier überhaupt so sagen?) denn Mason ist das pure Böse, nur auf sich bedacht, ist ihm seine komplette Umwelt egal, selbst seine Familie. Die ist nur da, um nach außen den perfekten Schein zu wahren, ihm bedeutet kein Mensch etwas, außer ihm selbst natürlich. Ein attraktiver Mann mit einer bildschönen Frau und süßen Kindern, erfolgreich im Job, wer sollte da schon ahnen, dass in seinem inneren ein Monster haust. Faszinierenderweise sind die wahren Ungeheuer fast immer schöne Menschen, ihre innere Hässlichkeit sieht man ihnen nur selten an. Dafür ist Liam weniger ansehnlich, die Jahre, die er hinter Gittern verbracht hat, haben ihm nicht gutgetan, auch äußerlich. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder besitzt er etwas, dass dem fehlt, Gefühle, auch wenn die manchmal eher hinderlich sind.
Die Frage, die sich durch das ganze Buch zieht ist: Hätte Liam etwas an all den Dingen ändern können, wenn er als Kind anders gehandelt hätte?
Simone Trojahn sagt im Nachwort des Buches selbst etwas zum Butterfly Effect und dass sie der gleichnamige Film sehr beeindruckt und inspiriert hat.
Ich denke, wir alle kennen dieses Problem und haben schon darüber nachgegrübelt, ob unser Leben wohl anders verlaufen wäre,  wenn wir an einer Stelle des Weges eine andere Abzweigung genommen hätten. Doch was bringt uns das? Wir werden es nie erfahren und müssen mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, leben, so wie auch Liam.

„Toter Schmetterling“ von Simone Trojahn ist wie gewohnt harter Tobak, hat aber auch einen kleinen philosophischen Unterton. Ich ertappe mich beim Lesen ihrer Bücher immer wieder dabei, dass ich mich frage, wie ich wohl in den beschriebenen Situationen handeln würde. Kann man als Mutter sein Kind einfach so aufgeben? Vor allem, wenn man irgendwo ganz tief drinnen so einen Verdacht hat? Ich weiß es nicht, zum Glück werde ich das wohl nie herausfinden.
Trotzdem hinterlässt das Buch ein ungutes Gefühl und die Frage, wer ist Schuld daran, wenn sich ein Mensch in diese Richtung entwickelt, die Anderen, er selbst, eine Mischung aus beidem? Ich jedenfalls kann und will das nicht beurteilen. 
Das düstere Cover passt zum Titel, die Charaktere sind gut ausgearbeitet und haben eine Vorgeschichte, die zumindest einige ihrer Taten erklärt, was aber nicht bedeutet, dass man sie gutheißt. Einen wirklichen Helden gibt es  im Buch nicht, denn Dreck am Stecken hat hier jeder, Vater, Mutter und natürlich auch die beiden Brüder. Eine schrecklich kaputte Familie, die einen mit in den Abgrund reißt. Dafür vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen und muss mal wieder feststellen, dass ich mit meiner Sippe eigentlich gar nicht so schlecht dran bin.^^

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