„Wenn Schweigen tötet“ – John Marrs

… Wenn wir das nächste Mal aufeinandertreffen, soll einer von uns kalt und steif in einem Sarg liegen und Kleider tragen, die nicht mehr zu der toten, eingefallenen Hülle passen.
Nur dann können wir uns trennen. Nur dann können wir beide wir selbst sein. … (Seite 10)

Nina kann Maggie niemals verzeihen, was sie getan hat. Und sie kann sie niemals gehen lassen.

Jeden zweiten Abend essen Maggie und Nina zusammen. Wenn sie fertig sind, bringt Nina Maggie zurück in ihr Zimmer im Dachgeschoss und legt sie in Ketten. Denn Maggie hat Dinge getan, die unverzeihlich sind, und jetzt bezahlt sie den Preis dafür.

Aber in der Vergangenheit gibt es vieles, was Nina nicht weiß, und Maggie wird dafür sorgen, dass es so bleibt – auch wenn es sie tötet. Denn in diesem Haus ist die Wahrheit gefährlicher als jede Lüge.

Jeden Tag sitzt Maggie am Fenster und beobachtet ihre Nachbarn, die keine Ahnung davon haben, dass sie seit einer halben Ewigkeit eingesperrt ist, an die Kette gelegt, im wahrsten Sinne des Wortes. Nur jeden zweiten Abend darf sie aus dem Obergeschoss nach unten und dort mit Nina essen, die ihr einziger Kontakt ist.
Immer wieder hat sie versucht zu fliehen, doch jetzt ist sie müde.
Und vielleicht hat sie diese Bestrafung ja tatsächlich verdient ….

Mein lieber Scholli, das Buch geht ganz schön an die Substanz, es geht schon damit los, dass Nina und Maggie nicht nur einfach zwei Frauen sind, nein, sie verbindet so viel mehr. Auch wenn im Buch recht früh klar ist, wie genau sie zueinander stehen, sage ich hier lieber nichts dazu.
Fakt ist, Maggie lebt bei Nina, angekettet im Obergeschoss. Die ist ihr einziger Kontakt und das bereits seit zwei Jahren.
Aber was ist zwischen den beiden vorgefallen?
Wer ist die Böse?
Abwechselnd lassen die beiden Frauen mich an ihrem Leben teilhaben, schildern, was gerade geschieht und unternehmen Reisen in die Vergangenheit, so wird das Puzzle Stück für Stück zusammengesetzt und es ist dunkel, sehr dunkel. Dennoch kommt das Buch ohne übermäßige Brutalität aus, aber die ist hier auch gar nicht nötig.
Ich muss gestehen, ich habe recht früh geahnt, was der Auslöser des Ganzen war, allerdings habe ich nicht mit all den großen und kleinen Dingen gerechnet, die daraus resultierten.
Eine einzige falsche Entscheidung kann so viel zerstören und am Ende bleiben zwei verbitterte Frauen, die sich gegenseitig die Schuld zuschieben für alles, was in ihrem Leben falsch gelaufen ist. Da hilft es auch nichts, wenn man damals nur das Beste wollte und damit etwas in Gang gesetzt hat, was über Jahrzehnte hinweg alle Beteiligten mit in den Abgrund reißt.
Schuldzuweisungen fallen hier verdammt schwer, denn wie würde man wohl selbst in so einer Situation handeln?
Darüber möchte ich mir gar keine Gedanken machen, gerade mit dem Ende vor Augen. Ich muss zugeben, John Marrs hat hier einen wahren Pageturner geschaffen, eine Geschichte, die an die Nieren geht und bei der man nicht weiß, mit wem man Mitleid haben soll.
Durch die Rückblicke erfährt man sehr viel aus dem Leben von Nina und Maggie, während Nina kalt und berechnend herüberkommt, hegt man doch eher Sympathie für die eingesperrte Maggie, die mit 68 Jahren ja auch nicht mehr die jüngste ist.
Doch wie so oft im Leben ist nicht alles, wie es scheint. Der Autor setzt sich hier ausgiebig mit Themen auseinander, über die man mit Sicherheit stundenlang diskutieren kann. Eines davon ist Schuld, ein anderes die Frage, wie weit man selbst gehen würde. 

Obwohl wir erst Anfang Februar haben, wage ich zu behaupten, dass dieses Buch für mich eins der Lesehighlights des Jahres ist. 
Man ist gefesselt, hin- und hergerissen zwischen Verständnis und Abscheu, zwischen „Das hab ich mir doch gedacht“ und „Was zum Teufel“, kurzum, eine Achterbahn der Gefühle.
Unbedingt lesen, mehr bleibt mir dazu nicht zu sagen, von mir gibt es 4,5 von 5 Miezekatzen.

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