„Ein langer Dezember“ – Richard Chizmar

“ … Und ich konnte nicht aufhören zu denken: Da muss ein Irrtum vorliegen. Es geht gar nicht anders.
Den Gedanken hatte ich fünfzehn Minuten später immer noch, als ich beobachtete, wie die Polizeibeamten zwei schwarze Leichensäcke aus Jimmys Haus trugen. …“ (Seite 15)

Das Leben in der Vorstadt meint es gut mit Robert und Katy Howard. Sohn Grant ist angehender Collegestudent und besonders zu dem älteren Nachbarn James besteht eine sehr enge Beziehung. Für Robert ist er wie eine Vaterfigur.

Als an einem kühlen Dezembermorgen die Familie von Sirenen und Blaulicht geweckt wird, muss Robert von der Polizei erfahren, dass James nicht nur verschwunden, sondern Hauptverdächtiger in einer Mordserie ist.

Während seiner Nachforschungen erkennt Robert immer mehr, dass sein einstig bester Freund nicht der ist, für den er ihn jahrelang gehalten hat – sie führen ihn auch weit zurück in die eigene Kindheit und zu einem dunklen Geheimnis, das er längst verdrängt hatte und dessen brutale und herzzerreisende Wahrheit ihm nun offenbart wird.

Als nachts die Polizei an seine Tür klopft und Robert mitteilt, dass sein Nachbar und bester Freund ein Killer ist, hält er das für einen schlechten Scherz, immerhin kennt er Jimmy seit Jahren. Gemeinsame Angelausflüge, Grillabende, Jimmy ist sogar der Pate seines Sohnes. Der freundliche ältere Herr, der keiner Fliege etwas zu leide tun und sich nicht mal Horrorfilme ansehen kann, soll ein Serienmörder sein? Was für ein schlechter Scherz. 
Nachdem die ersten Leichen auf dem Nachbargrundstück gefunden werden, beginnt Robert langsam zu begreifen, dass nicht jeder ist, was er scheint. Aber das ist noch nicht alles …

Die Novelle „Ein langer Dezember“ umfasst nur 160 Seiten, doch die reichen aus, um das Leben von Robert Howard völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Am 3. Dezember erfährt er, dass sein Freund ein Killer sein soll und kann es nicht glauben. Doch je weiter der Monat fortschreitet, um so mehr Beweise tauchen auf und so geht seine heile Welt Tag für Tag ein bisschen mehr in die Brüche.
Richard Chizmar lässt seinen Protagonisten in der Ich-Perspektive erzählen, was dem Ganzen eine unheimliche Tiefe gewährt, denn so kann ich unmittelbar an den Ereignissen und natürlich auch an Roberts Gedanken teilhaben und seine Hilflosigkeit hautnah miterleben. Denn mit jedem Tag, den der Dezember voranschreitet, werden die Zweifel des Familienvaters größer. Das geht unter die Haut, auch wenn (fast) kein Blut fließt. Und natürlich kommt man nicht umhin, sich selbst zu fragen, wie gut man Freunde und Nachbarn eigentlich kennt.
Der Autor hat einen sehr ruhigen und dennoch fesselnden Schreibstil, den mochte ich schon bei „Widow’s Point“ und „Turn out the Lights“, beide Bücher sind ebenfalls im Buchheim Verlag erschienen. Hierzulande ist er vor allem durch seine Gwendy Trilogy ( „Gwendys Wunschkasten“, „Gwendys Zauberfeder“ und „Gwendys letzte Aufgabe“) in Zusammenarbeit mit Stephen King bekannt, die ich übrigens – Asche auf mein Haupt – nicht gelesen habe, aber das werde ich irgendwann nachholen. Aber zurück zum Thema. Was ich eigentlich schreiben wollte, ist, dass Richard Chizmar eigentlich keinen Co-Autor nötig hat, aber bei King würde selbst ich schwach werden.^^
„Ein langer Dezember“ ist übrigens der erste Band der neuen „Cemetery Dance Germany Select“ Reihe, ich bin gespannt, welche Leckerbissen mich da noch erwarten und ob alle anderen auch von Daniele Serra illustriert werden. Auch seine Werke mag ich sehr, finde allerdings, dass sie in Schwarz – Weiß nicht ganz so stimmungsvoll rüberkommen. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn das Büchlein ist wirklich toll aufgemacht.

„In der Kürze liegt die Würze“ trifft den Nagel hier genau auf den Kopf. Man hätte die Story ohne Probleme strecken können, aber ich glaube, dann hätte sie auch einen Teil ihrer Wirkung verloren. So ist „Ein langer Dezember“ die perfekte Bettlektüre, denn wenn man erstmal begonnen hat, will man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. 160 Seiten lesen sich fix weg und man läuft nicht Gefahr, sich die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen, weil man wissen muss, wie die Geschichte ausgeht. Ich weiß, wovon ich rede, immerhin bin ich der perfekte Kandidat dafür. Schon allein deswegen, aber natürlich nicht nur, gibt es von mir 4 von 5 Miezekatzen und eine unbedingte Leseempfehlung. Wer bisher noch nichts von Richard Chizmar gelesen hat, findet hier die perfekte Einstiegslektüre, also greift zu.^^ 

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