„Anatomy: Eine Liebesgeschichte“ – Dana Schwartz

“ … »Ja«, bestätigte Hazel eilig, »genau. Ein Experiment. Um meine Fähigkeiten zu testen. Und sollte ich bestehen, bekomme ich meinen Abschluss und Sie gestatten Frauen in Zukunft Zutritt zu Ihren Vorlesungen.« …“ (Seite 173)

Eine Stadt, infiziert mit Geheimnissen. Und eine junge Frau, die sie seziert.

Lady Hazel Sinnett möchte unbedingt Chirurgin werden – was für sie als Frau jedoch unmöglich ist. Bis der Dozent Dr. Beecham sich auf einen Deal einlässt: Wenn sie die medizinische Prüfung ohne Unterricht besteht, darf sie bei ihm studieren. Zum Glück trifft die junge Frau auf Jack Currer – einen Auferstehungsmann, der Leichen ausgräbt und sie zu Lehrzwecken verkauft. Jack hilft Hazel nicht nur beim Lernen, sondern weckt auch ungeahnte Gefühle in ihr. Als sie an den Toten immer mehr Besonderheiten entdecken, finden sich die beiden plötzlich in einem Netz aus Geheimnissen und Intrigen wieder …
Der New York-Times-Bestseller rund um eine rasante, absolut fesselnde Regency Romance voller Geheimnisse, Glamour und weiblicher Stärke. Dana Schwartz verbindet in diesem historischen Roman geschickt Liebe, Feminismus und Medizin mit spannenden Thrillerelementen. Dabei wechselt sie zwischen düsteren Friedhöfen, Vorlesungssälen und schottischen Schlössern.

Hazel möchte unbedingt Chirurgin werden, das weiß sie schon, seit sie ein Kind war. Und so führt sie zu Hause Experimente durch und liest jedes Buch darüber, das ihr in die Finger kommt. Als in der Stadt ein Anatomie-Vortrag stattfindet, will sie unbedingt dabei sein, als Frau ist sie jedoch nicht erwünscht. Der junge Jack, ein Leichenräuber, hilft ihr, sich in den Vorführungssaal zu schmuggeln und erweist sich auch später als sehr nützlich.

Edinburgh 1817: Hazel Sinnett stammt aus gutem Hause, ihre Zukunft ist bereits durchgeplant. Da das Erbe ihrer Familie einmal an den Sohn, also ihren jüngeren Bruder Percy, geht, hat man für sie bereits vor Jahren einen geeigneten Ehemann gefunden, ihren Cousin Bernard, einen ziemlich eitlen Langweiler. Aber Hazel will mehr als Kaffeekränzchen veranstalten, ihre Liebe gilt der Chirurgie, Pech nur, dass da keine Frauen erwünscht sind, die Herren der Schöpfung bleiben lieber unter sich, schließlich kann man der holden Weiblichkeit kein Blut oder gar Innereien zumuten. Die junge Lady findet jedoch einen Weg den Anatomie-Vortrag der berühmten Dr. Beecham zu besuchen, wobei sie unerwartete Hilfe von Jack erhält, einem jungen Mann, der für die Ärzte Leichen aus ihren Gräbern raubt. Im Gegensatz zu Hazel muss er sehen, wie er an Geld für Essen kommt, denn das Leben auf der Straße ist hart. Aber er beißt sich durch und das macht ihn interessant für Hazel, viel interessanter als den langweiligen Bernard.
Ich mochte Hazel, gleich von der ersten Seite an, denn sie ist alles andere als eine Dame der feinen Gesellschaft. Sie pflegt einen fast schon freundschaftlichen Umgang mit den Angestellten und scheut sich nicht davor, Tests mit einem toten Frosch nachzustellen, über die sie gelesen hat. Kurzum, Hazel weiß, was sie will und kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mittel dafür, ihren Traum wahr werden zu lassen. Als sie auf Jack trifft, hatte ich kurz die Befürchtung, dass die Story ins Schnulzige umschlägt und zu der im Titel angekündigten Liebesgeschichte wird, aber zum Glück war dies nicht der Fall. Die Beziehung der beiden völlig unterschiedlichen Menschen hält sich eher dezent im Hintergrund, ein dicker Pluspunkt für mich. Stattdessen wird es blutig, geheimnisvoll und verdammt spannend. Dana Schwartz siedelt ihr Buch zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, in der Medizin wird noch viel experimentiert, die Leichen für die Forschung werden nachts auf den Friedhöfen ausgebudelt und Frauen haben nichts zu melden. Eine junge Dame, die mit den gesellschaftlichen Zwängen nicht viel am Hut hat und auch noch ausgerechnet Chirurgin werden will, ist da also eher die Ausnahme, ihre Wette mit Dr. Beecham macht sie zur Kämpferin für Frauenrechte. Klingt jetzt ein wenig hochtrabend, ist aber so. Leider wird Jack, der sie dabei unterstützt, weit weniger Aufmerksamkeit gewidmet, man erfährt nicht wirklich viel über ihn und das finde ich sehr schade, denn er ist ein wirklich liebenswerter Charakter.
Der Schreibstil ist flüssig und passt zur Geschichte, immer wieder wird auch Hazels Umfeld beschrieben, sei es bei ihren nächtlichen Ausflügen oder einfach beim Flanieren durch die Stadt, so kann man sich als Leser ein Bild machen und noch tiefer ins Geschehen eintauchen. Dafür sorgen auch den Kapiteln vorangestellte Briefe oder Auszüge aus medizinischen Fachbüchern, natürlich auch aus „Dr. Beechams Abhandlung über die Anatomie“. Lediglich das Ende hat mich nicht so ganz überzeugt, obwohl ich da schon so eine Vermutung hatte. Für mich jedenfalls hätte das Buch auch ohne dieses Abdriften ins Fantastische wunderbar funktioniert.

Mit „Anatomy“ hat Dana Schwartz eine wunderbar düstere Geschichte erschaffen, die dem Leser die dunkle Seite der Medizin zeigt. Trotz des Untertitels bleibt kitschige Gefühlsduselei aus, auch wenn es durchaus eine Liebesgeschichte gibt. Der Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Hazel und ihrer Leidenschaft für die Chirurgie, immer wieder gibt es interessante Dinge aus der Praxis in der damaligen Zeit zu erfahren, ab und an wird es sogar ziemlich blutig.
Wer die übliche Lovestory erwartet, wird hier enttäuscht, wer allerdings Thriller mit geschichtlichem Einschlag und starken Frauen mag, kommt hier voll und ganz auf seine Kosten. Ich für meinen Teil habe „Anatomy“ förmlich inhaliert, nur das Ende war nicht nach meinem Geschmack und so gibt es von mir 4 von 5 Miezekatzen. Im September erscheint mit „Immortality“ die Fortsetzung und ich bin gespannt, was mich da dann erwartet. 

01. „Anatomy: Eine Liebesgeschichte“
0.2 „Immortality: Eine Liebesgeschichte“

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