„Pretty Girls“ – Karin Slaughter

“ … Ich verstehe, warum deine Mutter aufgegeben hat. Oder zumindest diesen Eindruck erwecken musste. Sie musste ein neues Leben aufbauen, wenn schon nicht für sich selbst, dann für den Rest der Familie. Deine kleine Schwester wohnte noch zu Hause. Sie war still und unauffällig, doch sie trieb sich mit der Sorte Mädchen herum, die sie zu Dingen überredeten, die man lieber nicht tun sollte. Wie zum Beispiel sich in eine Kneipe zu schleichen, um Musik zu hören und dann nie wieder nach Hause zu kommen. …“

März 1991. Nach einer Party kehrt die 19-jährige Julia nicht nach Hause zurück. Die eher halbherzig geführten Ermittlungen laufen ins Leere. Eine Leiche wird nie gefunden. Weder die Eltern noch die beiden Schwestern der Vermissten werden je mit dem Verlust fertig. Vierundzwanzig Jahre später erschüttert eine brutale Mordserie den amerikanischen Bundesstaat Georgia. Und die frisch verwitwete Claire ist vollkommen verstört, als sie im Nachlass ihres verstorbenen Mannes brutales Filmmaterial findet, in dem Menschen ganz offensichtlich vor der Kamera auf grausame Weise ermordet werden. Eines der Opfer glaubt sie zu erkennen. Doch was hatte ihr verstorbener Mann damit zu tun? Wer war der Mensch wirklich, den sie über zwanzig Jahre zu kennen glaubte? Claire begibt sich auf eine lebensgefährliche Spurensuche, die sie immer dichter an eine unfassbare Wahrheit führt. Und an den eigenen Abgrund …

Nach dem Essen werden Claire und ihr Mann Paul in einer dunklen Gasse überfallen. Der Dieb kassiert sämtliche Wertsachen ein und rammt Paul schließlich ein Messer in den Bauch und verschwindet, während Claire hilflos zusehen muss, wie ihr Mann verblutet. Auf sich allein gestellt, muss sie sich nun auch um alle Dinge, die ihr Haus betreffen, selbst kümmern und so fallen ihr auf der Suche nach Unterlagen Videobänder in die Hände, auf denen Frauen gequält und getötet werden. Eine der Frauen erkennt sie, sie ist vor einiger Zeit verschwunden. 
Als sie die Bänder der Polizei vorlegt, wird sie nur belächelt und mit dem Kommentar, sie wären nicht echt wieder nach Hause geschickt. Doch auch Claires Schwester ist vor Jahren verschwunden und nie wieder aufgetaucht, hat sie jetzt eine Spur gefunden?

Vor langer Zeit gab es einmal eine glückliche Familie mit drei Töchtern, bis eine von ihnen nicht mehr nach Hause kam. Allen ist klar, dass Julia nicht einfach verschwunden ist. Die Familie zerbricht, der Vater kann sein verschwundenes Mädchen einfach nicht loslassen und schreibt dies in Tagebucheinträgen und Briefen nieder, die Mutter hat ihre eigene Art, damit umzugehen. Aber auf auf die beiden verbliebenen Töchter hat Julias Verschwinden Einfluss. Während Claire heiratet und mit ihrem Mann ein recht zufriedenes Leben führt, trifft es ihre Schwester weniger gut.
Pretty Girls“ von Karin Slaughter beginnt mit zwei Handlungssträngen.
Da wäre erstmal Claire, deren Mann bei einem Überfall stirbt, ihre ganze Welt bricht zusammen.
Auf anderen Seite erfährt der Leser etwas Lydia, Mutter einer Teenager-Tochter, die sich durchs Leben schlagen muss. sie ist weniger gut betucht als Claire, auch keine Schönheit, das Leben hat Spuren an ihr hinterlassen. Was die beiden Frauen verbindet, erfährt man erst später, obwohl ich es von Anfang an geahnt habe.
Die Geschichte braucht eine Weile, um in Fahrt zu kommen, ist aber dann wie der berühmte Schlag in die Magengrube, es tut weh, erschreckt, macht betroffen. Als Claire die Filme ihres Mannes findet, schlägt die Stimmung um. Wie kann man einen Menschen nach 20 Jahren vermeintlich glücklicher Ehe so wenig kennen? Wer war Paul wirklich?
Doch im Buch geht es nicht nur um Gewalt, auch die Geschichte von Claires Familie wird erzählt. Es wird darauf eingegangen, wie nach Julias Verschwinden damals alles auseinandergebrochen ist und man sich jetzt Schritt für Schritt nach all den Jahren wieder anzunähern versucht. Dieser Teil ist der Autorin meiner Meinung nach wirklich gut gelungen und dient so ein bisschen als Puffer zwischen all dem Schrecken ohne kitschig zu wirken. Karin Slaughter gibt ihren Figuren einen Hintergrund, so dass man ihre Handlungen nachvollziehen kann, mit ihnen leidet. Dennoch muss ich gestehen, dass ich mit Claire nicht so recht warmgeworden bin, die ungestüme Lydia war mir da wesentlich lieber, vielleicht, weil sich ihre etwas mürrische Lebenseinstellung eher mit meiner deckt?^^ Einen Ermittler sucht man hier in diesem Thriller übrigens vergebens und das fand ich sehr erfrischend.
Was am Ende bleibt, ist die bittere Gewissheit, dass es keine andere Spezies gibt, die sich gegenseitig so üble Dinge antut wie der Mensch und dass man niemanden wirklich kennt, so sehr man das auch glaubt.
Übrigens gibt es zu „Pretty Girls“ eine Vorgeschichte namens „Tote Blumen“, die sich komplett um Julia und deren Leben dreht, allerdings hat die mich nicht wirklich vom Hocker gerissen, dennoch ist sie für den Einen oder Anderen vielleicht interessant.

„Pretty Girls“ funktioniert in meinen Augen sowohl als Familiendrama, als auch als Thriller. Allerdings sollte man sich vom Titel nicht täuschen lassen, denn es geht sehr brutal zur Sache, von daher ist das Buch mit Sicherheit auch nicht für jeden geeignet. Und auch wenn es anfangs ein bisschen braucht, um in Fahrt zu kommen, so hat es mich dann bis zur letzten Seite gefesselt, deshalb vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen.

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