„Game Changer“ – Neal Shusterman

“ … Wir sind so begrenzt. Als Spezies. Als Individuen. Wir können nicht nur nicht in die Zukunft sehen, wir sehen auch die Gegenwart nicht so, wie sie ist. Zu sehr ist unser Blick getrübt von den Dingen, die wir fürchten. Aber was noch schlimmer als jede andere Blindheit ist: Wir können die Konsequenzen unserer Handlungen nicht erkennen. …“ (Seite 122)

Stell Dir vor, du könntest die Welt verändern … Welche Entscheidung triffst Du?
Ash ist ein weißer, heterosexueller cis-Junge aus der Mittelschicht. Er hält sich selbst für einen guten Kerl, aber nicht gerade für den Mittelpunkt des Universums. Bis er eines Freitags in eine andere Dimension katapultiert wird, in der er genau das ist – der Mittelpunkt des Universums! Damit verfügt ausgerechnet Ash nun über die Macht, die Welt zu verändern. Doch irgendetwas geht schief, und Ash führt – aus Versehen – die Rassentrennung wieder ein. Natürlich will er das wieder geradebiegen, aber: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, alles falsch zu machen.
Ein Social Thriller der Extraklasse über eine durch und durch ungerechte Welt wie unsere.

Ash ist der typische amerikanische Teenager, himmelt die Freundin eines Freundes an, spielt Football und ist bekannt für seine Tackles.Doch genau die bringen ihn in Schwierigkeiten, denn nach einem Zusammenstoß mit einem Spieler der gegnerischen Mannschaft ist plötzlich alles anders. Gut, nicht alles, aber Kleinigkeiten, die enorme Auswirkungen auf Ashs Leben haben.

Ich liebe Neal Shusterman für seine „Vollendet“ Reihe und die „Scythe“ Trilogie, in beiden setzt er sich auf seine ganz eigene Art mit Problemen auseinander, über die man nicht jeden Tag nachdenkt und die trotzdem immer präsent sind. Natürlich musste ich auch „Game Changer“ unbedingt lesen, denn der Klappentext machte mich neugierig. Allerdings weckt er, meiner Meinung nach, ein wenig falsche Erwartungen, denn Ashs Leben ändert sich zwar immer wieder, allerdings kann er selbst nicht wirklich Einfluss darauf nehmen. Er kommt in einer anderen Realität zu sich, in einer Parallelwelt, wenn man so will und die hat er nicht durch bewusste Entscheidungen erschaffen. Das macht das Buch zwar nicht weniger spannend, führt aber etwas in die Irre.

Wie würdest du reagieren, wenn dein bester Freund über Nacht aus deinem Leben verschwindet und du weißt, dass er irgendwo da draußen ein völlig anderes Leben führt als er eigentlich sollte? Dass er für den Unterhalt seiner Familie sorgen muss, anstatt die Schulbank drücken oder auf dem Spielfeld dem Ball hinterherzujagen?
Eigentlich fängt alles irgendwie mit einem blauen Stoppschild an, einer inneren Stimme, die Ash sagt: Halt, hier stimmt doch etwas nicht. Denn auch wenn die Menschen um ihn herum sich verändert haben, so behält er doch die Erinnerungen an sein altes Leben und dort gab es keine Rassentrennung. Vor allem war Leo an seiner Seite und nicht irgendwelche eingebildeten Schnösel. Zeit, die Dinge wieder richtigzustellen. Genau das rechne ich Ash hoch an, denn ihm geht es nach keinem seiner Sprünge schlecht, er ist also nicht gezwungen, etwas zu unternehmen. Dennoch tut er es, weil er diese ganze Situation ungerecht findet, er engagiert sich, auch wenn das teilweise schmerzhafte Konsequenzen hat. Neal Shustermans Botschaft an seine Leser ist klar und deutlich und dennoch stößt es mir etwas auf, dass Ash mit jedem seiner „neuen“ Leben sofort klarkommt. Sei mit dir selbst im Reinen mag, steh dazu, wer und was du bist, ist eine wichtige Aussage, aber mir wird das hier ein bisschen zu einfach abgehandelt, gerade als Heranwachsender hat man doch Selbstzweifel. Gerne würde ich ein Beispiel bringen, aber ich will ja nicht spoilern. Im Gegensatz dazu hat mir wirklich gut gefallen, wie der Autor aufzeigt, was schon kleine Änderungen für Konsequenzen nach sich ziehen und dass man, wenn man erstmal auf der anderen Seite steht, plötzlich eine ganz eigene Sichtweise entwickelt und Dinge, die man vorher kritisiert hat, mit anderen Augen sieht.
Mit Ash, Leo und Katie hat Shusterman Figuren erschaffen, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben und trotzdem nicht so abgestumpft sind wie der Rest, wobei ich gerade über Katie gern mehr erfahren hätte, sie bleibt für mich etwas blass.
Das Cover passt zur Geschichte und auch der Schreibstil richtet sich an Jugendliche, trotzdem kann man auch als Erwachsener einiges aus diesem Buch mitnehmen, denn es geht unter anderem um wichtige Themen wie Rassismus, toxische Beziehungen, Vorurteile … Etwas irritiert haben mich die Seitenzahlen, die hier an einer ungewohnten Stelle stehen, mein Blick ging immer nach unten ans Seitenende, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.^^

Auch wenn mir persönlich Neal Shusterman in der Dystopie-Ecke besser gefällt, weiß „Game Changer“ durchaus zu überzeugen, wenn auch mit kleinen Abstrichen. Wie weit würde man selbst gehen, wäre man an Ashs Stelle? Sicherlich eine interessante Frage, die schwer zu beantworten ist. Ich jedenfalls habe mir danach eine Menge Gedanken gemacht, schon allein dafür vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen.

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