“ … Wie erwähnt dachte ich anfangs, ihr wärt verirrte Krieger und nur zufällig auf meiner Insel gestrandet. Doch als dann einige von euch singend durch mein Reich marschierte … »Medusa, das Monster. Hässlich wie die Nacht. Nimm dich vor meinem Schwert in Acht!« Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war der Grund für euer Kommen. Und es kamen viele von euch, wirklich viele. …“
Der Mythos Medusa neu erzählt
War Medusa ein Monster? War Perseus ein Held? Nicht in diesem Comic von André Breinbauer. Der Wende-Comic erzählt den bekannten Mythos aus der Perspektive beider Figuren radikal anders: Medusa ist nicht das Ungeheuer, das aus Bosheit Menschen zu Stein verwandelt. Von einem Gott missbraucht und einer Göttin dafür bestraft ist sie ein zweifaches Opfer der Götter. Perseus hingegen ist noch ein Kind und Spielball der Mächtigen.
Ein Wende-Comic
Das Besondere der Graphic Novel ist zum einen, dass sie von beiden Seiten gelesen wird. In der Mitte treffen Medusa und Perseus sowie ihre Geschichten aufeinander. Zum anderen sorgt ein feministischer Blick auf den Mythos dafür, dass der Comic sich grundlegend von anderen Medusa-Interpretationen unterscheidet.
Die Geschichte von Medusa und Perseus dürfte fast jeder kennen.
Sie, die verfluchte Priesterin Athenes mit den Schlangenhaaren, er der stolze Held, der loszieht um die Welt vor dem männermordenden Monster zu retten.
Der Ausgang ist bekannt und dennoch erzählt André Breinbauer seine ganz eigene Version, die in einigen Punkten andere Wege geht.
Meine erste Begegnung mit Perseus und Medusa hatte ich als Kind mit dem Film „Kampf der Titanen“, den ich heiß und innig geliebt habe, mit dem Remake hingegen kann ich mich nicht wirklich anfreunden, dem fehlt einfach der Charme des Originals.
Auch da ist Perseus natürlich der Held, der loszieht um die böse Schlangenfrau zu töten.
Was aber, wenn alles eigentlich ganz anders war?
Wenn Perseus ein kleiner naiver Junge war, der keine Ahnung hatte, wen oder was er töten soll um seine Mutter zu retten? Der blind und blauäugig einfach losrennt und sich wie eine Marionette lenken lässt?
Wenn Medusa gar kein Ungeheuer war, sondern eine gleich doppelt verratene Frau, der etwas zustößt, was man niemandem wünscht und die dafür auch noch grausam bestraft wird? Hat sie nicht das Recht, zumindest ein bisschen angepisst zu sein?
Ich mag André Breinbauers Herangehensweise an die Geschichte, die er in zwei Teile aufgeteilt hat. Dabei ist es völlig egal, mit welchem man beginnt, denn in der Mitte treffen die beiden Protagonisten aufeinander. Vorher lässt der Autor aber erstmal den jungen Perseus völlig ahnungslos durch sein Abenteuer stolpern und gibt der verstoßenen Priesterin, die ein Opfer männlicher Gewalt wurde, eine Stimme.
Der Zeichenstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, minimalistisch, könnte man fast sagen und trotzdem sind einige Bilder sehr eindringlich, so dass sie keine Erklärung brauchen und völlig ohne Text auskommen, das fand ich vor allem bei den Vorkommnissen im Tempel der Athene sehr passend. Das hat allerdings auch zur Folge dass man, wenn man sich in dem Metier nicht ein bisschen auskennt, keine Ahnung hat, wer da auftaucht.
Ich mag Medusa, für mich war sie schon immer eine tragische Figur, die für die Fehler der anderen büßen muss und sich schließlich auf die einzige ihr verbleibende Art wehrt. Einen gewissen feministischen Touch hat ihre Geschichte also durchaus, leider gibt sie sich als Heldin viel zu leicht geschlagen.
Der Zeichenstil und der teilweise kaum vorhandene Text haben mir den Einstieg erstmal ein wenig erschwert, jetzt im Nachhinein finde ich allerdings beides passend und gut umgesetzt.
Der Preis mag im ersten Moment etwas abschrecken, aber das Buch ist toll aufgemacht, die Idee mit dem Wendecover und den eingeklebten Klappentexten finde ich großartig.
Wer mal einen etwas anderen Blick auf die griechische Mythologie werfen will, ist hier bestens aufgehoben, dafür vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen.