„Das letzte Protokoll“ – Chuck Palahniuk

“ … Es ist schon schwer, Schmerzen zu vergessen, aber noch schwerer ist es, sich an Angenehmes zu erinnern.
Glück hinterlässt keine Narben. Aus Frieden lernen wir nicht viel. …“ (Seite 234)

Unheimliches geschieht auf der Insel Waytansea. Die Welt scheint buchstäblich aus den Fugen geraten zu sein, denn Mauern tauchen auf, wo Türen sein sollten, Räume verschwinden und in Wände geritzte Prophezeiungen drohen jedem, der einen Fuß auf die Insel setzt, mit dem Tod. Für Misty Wilmot kommt diese Warnung jedoch zu spät. Wahnvorstellungen über ihren herannahenden Tod suchen sie heim, die Misty minutiös protokolliert. Und sie malt: Geradezu obsessiv zeichnet sie Bild um Bild, bis sie plötzlich begreift, dass sie das Opfer einer grausamen Verschwörung ist …

Misty arbeitet als Zimmermädchen auf der Insel Waytansea. Vor einiger Zeit noch lebten dort nur wohlhabende Familien, zu denen auch die ihres Mannes Peter gehörte. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nach einem Selbstmordversuch liegt Peter im Koma und die Sommergäste das Kommando über die Insel übernommen. Und während ihre Schwiegermutter die ehemalige Kunststudentin immer wieder zum Malen drängt, bekommt Misty immer wieder seltsame Anrufe von Leuten, in deren Häusern Peter Räume zugemauert und darin seltsame Botschaften hinterlassen hat.

„Lullaby“ hat mich vor einiger Zeit gut unterhalten, es war also an der Zeit, sich einem weiteren Buch von Chuck Palahniuk zu widmen. Meine Wahl fiel auf „Das letzte Protokoll“, der Klappentext hat mich einfach am meisten angesprochen, wobei das bei dem Autor ja immer so eine Sache ist. Wer schon mal einen Palahniuk gelesen hat, weiß, wovon ich rede.^^
Misty stammt aus der Unterschicht, ist in einem Wohnwagen großgeworden und hat sich bis auf die Kunstschule gekämpft, dort trifft sie Peter, einen merkwürdigen Kauz aus einer reichen Familie von eine nahegelegenen Insel. Die beiden heiraten, ziehen auf die Insel und dann geht es steil bergab. Sowohl Misty als auch Peter müssen arbeiten und die ruhige Insel wird von Touristen überschwemmt, Peter versucht sich umzubringen und dämmert seitdem im Koma vor sich hin. Misty bleibt mit ihrer Tochter und ihrer Schwiegermutter allein zurück und muss ihr Leben meistern.
Um es gleich vorweg zu nehmen, ich hab mich mit diesem Buch sehr schwer getan. Das lag nicht an der Story, denn die hat mich durchaus gefesselt, dafür hat mich der Schreibstil in den Wahnsinn getrieben. Ja, Palahniuk ist eigen, dafür liebt oder hasst man ihn und bisher hatte ich damit kein Problem. Aber hier hat er den Bogen bei mir überspannt. Der Autor hat sein Werk wie ein Tagebuch aufgebaut, der Leser begleitet Misty so von Juni bis September. Normalerweise sorgt diese Tagebuch-Form bei mir dafür, dass ich tief ins Geschehen eintauchen kann, hier fand ich diese Erzählweise allerdings eher störend, auch, weil ständig in der Zeit hin und hergesprungen wird. Damit hätte ich leben können, aber diese Passagen, in denen er sich immer wieder ausgiebig darüber auslässt, welche Muskeln bei bestimmten Bewegungen welche Arbeiten verrichten, haben mich dermaßen genervt, dass ich ein paar Mal überlegt habe, das Buch abzubrechen, aber natürlich musste ich wissen, wie Mistys Geschichte endet. Was mich zu einem weiteren Problem bringt, den Charakteren. Denn auch wenn Misty wirklich Schlimmes durchmacht, war sie mir unsympathisch, so wie der ganze Rest. Das mag sich jetzt hart anhören, aber ich mochte wirklich niemanden in diesem Buch, alle waren kalt, herzlos, seltsam, mehr kann ich dazu nicht schreiben, ohne auf die eine oder andere Art zu spoilern.
Einordnen lässt sich die Geschichte ebenfalls schwer. Es geht um Kunst, Philosophie, Psychologie, Familienkonflikte, seltsame Ereignisse, Gesellschaftskritik …, das alles wird in einen Topf geworfen, einmal kräftig umgerührt und was dabei herauskommt, ist zäh, keine besonders gute Mischung, für mich jedenfalls. Wenn man die Augen offenhält, stößt man aber auch auf wundervoll poetische Sätze und Lebensweisheiten, davon hätte ich gern mehr gehabt.

Wer sich mit den Werken von Chuck Palahniuk vertraut machen will, sollte „Das letzte Protokoll“ nicht unbedingt als Einstiegsbuch wählen. Es ist verwirrend, anstrengend zu lesen, dabei ist die Story an sich wirklich gut. Aber ich werde das Gefühl einfach nicht los, dass neben mir jemand steht, der mir die Moral mit der Keule einprügeln will und dabei alle nur erdenklichen Geschütze auffährt, mir ist es einfach zu viel des Guten. Ich habe wirklich lange überlegt, wie ich das Buch bewerten soll, es ist definitiv nichts für den Mainstreamleser, aber das ist ja nicht schlimm. Um es Leuten zu empfehlen, die auf abgedrehte Dinge stehen, finde ich es zu sperrig.
Schafft man es jedoch trotz all der Stolpersteine bis zum Ende durchzuhalten, wird man dafür belohnt. Und weil mich die Geschichte trotz meiner ganzen Meckerei doch irgendwie gepackt hat, vergebe ich 3 von 5 Miezekatzen, eine Leseempfehlung verkneife ich mir allerdings.

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