„One Thousand Trees“ – Rio Youers

„… »Wenn du Erfolg haben willst, musst du laut sein. Das gilt für alles im Leben, mein junger Freund.« Er tippte Damon vor die Brust. »Lass es KRACHEN. Niemand hört dich, wenn du leise bist.« …“ (Seite 116)

Eine düstere und beängstigende Reise ins Herz und in den Verstand – eine Geschichte über Liebe, Freundschaft, Verlust und Hoffnung. Vom hochgelobten Autor von Westlake Soul und Mama Fish.

Damon Layne hat alles erreicht – eine liebevolle Frau, einen stolzen Sohn und gemeinsam mit seinem besten Freund Cody Lee zementiert das begnadete Songwriter-Duo den Status ihrer Heavy-Metal-Band Mustang Kick als Rockstars. Sein Leben nimmt eine tragische Wendung, als der Privatjet der Band abstürzt. Damon überlebt, doch Cody ist unter den Opfern des Unglücks. Bald ist Damon nur noch ein Schatten des Mannes, der er einmal war – im Kampf gegen eine posttraumatische Belastungsstörung und um seine Familie.

Edan Crow leidet an Achromatopsie, einer seltenen Form von Farbenblindheit, die sein Sehvermögen auf Schwarz, Weiß und Grautöne beschränkt. Er hat eine extreme Unverträglichkeit gegenüber hellem Licht und lebt in einer ständig abgedunkelten Umgebung. Nach seiner Rückkehr von der südpazifischen Insel Tora-Lua glaubt Crow, dass die Energie eines Menschen in den Momenten kurz vor dem Tod am lebendigsten ist, und dass die Freisetzung dieser Energie – bevor sie auf natürliche Weise erlischt – eintausend Bäume wachsen lässt. Er beginnt damit, Obdachlose von der Straße zu holen und ihnen im Tod einen Sinn zu geben, den sie im Leben nicht hatten.

Das Schicksal führt beide Männer zusammen, nachdem Damon in einer Gasse zusammenbricht. Als er wieder erwacht, findet er sich angekettet in einem unbekannten Raum wieder. Von nun an erwarten ihn nur Dunkelheit, Schmerzen und ein gnadenloser Entführer.

Edan Crow ist farbenblind und verträgt kein Licht. Er lebt abgeschieden, wird von seinem Bruder schikaniert und muss seine kranke Mutter pflegen. Mit ihrem Tod ändert sich alles, denn sie hat ihm Geld hinterlassen. Als ihm sein Arzt von einem Stamm auf einer abgelegenen Insel erzählt, dessen Mitglieder alle an derselben Krankheit leiden, macht er sich ohne zu zögern auf den Weg dorthin. Bei seiner Rückkehr in die Zivilisation bringt er etwas von der Insel mit, etwas Dunkles, Böses. Das bekommt auch der Rockstar Damon Layne zu spüren, der sich angekettet in Edans Keller wiederfindet.

Drei Jahre ist es inzwischen her, dass ich mit „Westlake Soul“ mein erstes Buch von Rio Youers gelesen hab und das hat mich richtig gefesselt. Inzwischen sind alle seine auf Deutsch erschienen Werke bis auf „Everdead“ bei mir eingezogen, mit Vampiren hab ich es halt nicht so.^^
„One Thousand Trees“ hab ich zusammen mit „Promised Land Blues“ und „The Ocean Dark“ von der Leipziger Buchmesse mitgebracht, wo Rio übrigens zusammen mit Christopher Golden live vor Ort war.
Aber zurück zum Buch, dessen Geschichte von zwei völlig unterschiedlichen Figuren getragen wird. Als erstes wäre da Edan. Vom Pech verfolgt, ist er farbenblind und kann kein Licht vertragen, auch seine Kindheit wird geprägt von Ablehnung und Gewalt. Als er endlich seinen Platz in der Welt gefunden hat, wird ihm erneut der Boden unter den Füßen weggerissen.
Ihm gegenüber steht Damon, der es als Sänger von Mustang Kick bis in die Charts geschafft hat. Das einst sorgenfreie Leben des Rockstars geht allerdings komplett den Bach runter, als die Band mit einem Privatjet abstürzt und sein Freund Cody stirbt. Damon fällt in ein tiefes schwarzes Loch, aus dem es kein Entkommen gibt. Seine Frau hat ihn zusammen mit dem gemeinsamen Sohn längst verlassen, nur hat sie auch noch einen neuen Partner.
Durch eine Unachtsamkeit kreuzt sich der Weg der beiden Männer und Damon landet angekettet in Edans Keller, wo sein Überlebenswille erwacht. Von diesem Moment an wird Damon für mich auch endlich zum Sympathieträger, denn vorher vergeht er fast vor Selbstmitleid. Natürlich gibt es Ereignisse, die man erstmal verarbeiten muss und das braucht Zeit, aber irgendwann muss man damit abschließen und genau das dämmert ihm erst, als er sich in der Gewalt eines scheinbar Irren befindet. Aber auch Edan ist ein fesselnder Charakter. Zu Beginn scheint er einfach nur ein durchgeknallter Psychopat zu sein, der von merkwürdigen Dingen spricht. Doch je tiefer ich in seine Geschichte eingetaucht bin, umso faszinierender fand ich ihn. Für mich ist er ein ganz besonderer Bösewicht, ein Todesengel, umhüllt von einer dunklen, mystischen Aura. Und genau solche Typen mag ich, die bringen mein kleines schwarzes Herz zum Flattern. Also in Büchern, im wahren Leben verzichte ich doch lieber auf solche Begegnungen.


„One Thousand Trees“ ist nichts für zartbesaitete Gemüter, aber meilenweit entfernt von einer dumpfen Torture-Porn-Story, auch wenn es teilweise ganz schön hart zur Sache geht. Der Hauptaugenmerk liegt hier eben nicht auf Folter und Qual, sondern den Rückblicken auf das Leben zweier Männer, die vollkommen unterschiedliche Prioritäten im Leben haben. Und so folgen auf Szenen im dunklen Keller zur Auflockerung immer wieder Ausflüge auf eine kleine tropische Pazifikinsel oder Damons liebevolle Erinnerungen an Anita, seine Ex-Frau und seinen Sohn. Das sorgt zwar für kurzzeitliches Aufatmen, nimmt dem Buch aber nichts von seinem bitterbösen Plot. Ich für meinen Teil habe es regelrecht verschlungen, war ständig zwischen Mitleid und Abscheu hin- und hergerissen, lediglich das Ende fand ich ein wenig unbefriedigend.

„One Thousand Trees“ erschien als 18. Band der Cemetery Dance Germany Reihe im Buchheim Verlag, wie alle anderen Titel ist auch er signiert und limitiert.

Ich mag Rio Youers Schreibstil, gerade hier kann er damit voll punkten. Innerhalb eines Wimpernschlages reise ich von einem dunklen Keller auf eine palmenbewachsene Insel, ein völliger Gegensatz und doch fühlen sich diese Sprünge richtig an. Genau das macht den Reiz dieses Buches aus, das viel mehr ist, als der Klappentext erahnen lässt: eine Horrorstory, eine Liebesgeschichte, der Einblick in eine fremde Kultur …
Musik und Horror, eigenwillige Figuren, eine spannende Geschichte, Rio Youers hat mit „One Thousand Trees“ meiner bescheidenen Meinung nach alles richtig gemacht, dazu tragen natürlich auch die wirklich tollen Illustrationen von Vincent Sammy ihren Teil bei. Ich kann gar nicht anders, als das Ganze mit stolzen 4,5 von 5 Miezekatzen zu honorieren.

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