„Weißer Schrecken“ – Thomas Finn

“ … Das Schicksal hat uns eingeholt. Es hält uns fest im Griff. Dich. Mich. Uns alle. Glaubst du ernsthaft, es sei Zufall, dass du ausgerechnet im Dezember wieder zurück in Deutschland bist? Pünktlich in diesem Jahr? In diesem Monat? …“  

Ein frostiger Winter hat Einzug gehalten in der kleinen Berchtesgadener Ortschaft Perchtal. Es herrscht eine besinnliche vorweihnachtliche Stimmung und alle freuen sich auf den traditionellen Perchtenlauf.
Da entdecken die Zwillinge Miriam und Elke die Leiche eines Mädchens im zugefrorenen Perchtensee, die ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Gemeinsam mit ihren Freunden Andy, Robert und Niklas gehen sie dem unheimlichen Rätsel nach – und kommen so einer eisigen Macht auf die Spur, die schon seit Jahrtausenden in der Bergwelt lauert.

Weihnachtszeit. Aus den Radios ertönt „Last Christmas“. Andreas sitzt im Aufnahmestudio beim Radio und gibt ein Interview über seine Arbeit bei „Ärzte ohne Grenzen“, als sein Jugendfreund Niklas anruft und ihn fragt, warum er lieber im Ausland Fremden hilft als Zuhause seinen Freunden beizustehen. Und dann kehrt sie zurück, die Erinnerung an damals, an seine Freunde und ihren Kampf gegen den „Kinderfresser“.

Weihnachten ist die besinnlichste Zeit des Jahres. Nicht so in Perchtal, einem kleinen Städtchen bei Berchtesgaden. Dort werden die alten Traditionen am Leben erhalten, Knecht Ruprecht ist hier nicht der gute Mann mit der Rute und dann gibt es ja auch noch den Krampus.
Andreas, Niklas, Robert und die Zwillingsschwestern Elke und Miriam sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie genießen die Wintertage und den Schnee, bis Elke beim Schlittschuhlaufen stürzt und unter dem Eis eine Leiche erblickt. Ein Mädchen, dass ihr und ihrer Schwester erschreckend ähnlich sieht. Aber wer ist die Unbekannte? Hat sie etwas mit der übertriebenen Frömmigkeit ihrer Eltern zu tun?
Die Teenager sind neugierig, wollen herausfinden, was es mit der Toten auf sich hat und warum die Erwachsenen schweigen. Oder sich merkwürdig verhalten, so wie der Pfarrer. Warum hören sie immer wieder einen Kinderchor, der Weihnachtslieder singt?
Thomas Finn lässt seine Geschichte auf zwei Zeitebenen spielen und schon da beginnt die Ähnlichkeit mit Stephen Kings „Es“. Auch hier kehrt der Protagonist nach vielen Jahren in die Heimat zu seinen alten Freunden zurück, allerdings nicht für ein fröhliches Wiedersehensfest. In der Vergangenheit ist etwas geschehen, dass sich massiv auf das Leben der Freunde ausgewirkt hat. Vor 16 Jahren haben die Jugendlichen nach dem Fund der Leiche Nachforschungen angestellt und sind dabei auf seltsame Ereignisse in ihrem Dorf gestoßen. Im Gegensatz zu King geht Thomas Finn hier jedoch einen etwas anderen Weg, denn er widmet sich den Mythen und Bräuchen rund um den Nikolaustag. Da gibt es alte Götter, Märchen, Sagen und, das dürfte dem einen oder anderen dann wieder bekannt vorkommen, natürlich kaputte Elternhäuser. Während Elkes und Miriams Erziehungsberechtigte extrem religiös sind und ihren Töchtern alles verbieten, was Spaß macht, wird Niklas von seiner Mutter verhätschelt und Andreas von seinem seinem Vater zwar mit Geschenken überschüttet, ansonsten aber komplett ignoriert. Was erstmal nach Klischees ohne Ende klingt, hat jedoch durchaus Gründe, die sich im Laufe des Buches immer deutlicher herauskristallisieren.
Doch nicht nur das Setting und der Plott wissen zu fesseln, auch der Schreibstil von Thomas Finn sorgt dafür, dass man das Buch ungern zur Seite legt um in die Realität zurückzukehren, aber ab und zu muss man sich einfach einen heißen Kakao holen und die kalten Füße in noch wärmere Socken packen. Dazu muss ich erwähnen, dass ich das Buch zu Beginn des Jahres gelesen habe, als es draußen noch richtig ungemütlich war.
Solltet ihr vorhaben, euch nach Perchtal zu begeben, dann hebt euch die Lektüre unbedingt für die Weihnachtszeit oder kalte Wintertage auf, denn erst dann kommt die richtige Stimmung dafür auf. Ja,
„Weißer Schrecken“ erinnert nicht nur ein bisschen an „Es“ von Stephen King, geht es hier doch ebenfalls um eine Gruppe von Teenagern, die feststellen müssen, dass ihr Dörfchen oder Städtchen nicht so beschaulich ist wie sie immer dachten. Aber es geht eben auch seinen ganz eigenen Weg und gerade diese alten Bräuche und Geschichten, für die mit Sicherheit eine ganze Menge Recherche nötig war, haben mich gefesselt. Und sein wir mal ehrlich, Coming of Age und Horror sind einfach eine perfekte Kombination.
„Weißer Schrecken“ gibt es im Buchheim Verlag übrigens in einer wirklich toll aufgemachten signierten und limitierten Ausgabe, ich muss zu meiner Schande allerdings gestehen, dass ich hier nur das eBook gelesen habe.

Muss Thomas Finn den Vergleich mit Stephen King scheuen? Zugegeben, beide Bücher haben viel gemeinsam und das muss ja nicht schlecht sein, zumal der Autor hier einen eigenen Weg geht und deutsche Mythen und Brauchtum einbezieht, was der Story ein ganz eigenes Flair verleiht, vorrausgesetzt natürlich, dass man sich dafür interessiert. Wer mir schon ein bisschen folgt, weiß, dass das Ganze voll mein Ding ist. Ich war also das perfekte Leseopfer und habe die unheimliche winterliche Stimmung von der ersten bis zur letzten Seite genossen, inclusive Gänsehaut und kalte Füße und dafür vergebe ich 4,5 von 5 Miezekatzen.

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