„Briefe an Laura“ – Gemma Amor

“ … Und so durchlief sie im Eiltempo die letzten turbulenten Unbeholfenheiten der Pubertät, wie ein flacher Stein, der übers Wasser sprang. Beinahe über Nacht wurde sie eine stille und ernsthafte junge Frau, die mit beiden Beinen in der Realität stand. Ihr bester Freund war fort und würde niemals zurückkehren. …“ (Seite 13)

Selbst nach 30 Jahren fragt sich Laura immer noch, ob Bobby umgebracht wurde … weshalb er in den Van stieg … und wer der Mann hinter dem Lenkrad war.

An ihrem 14. Geburtstag erhält sie den ersten Brief von X. Er behauptet, er habe ihren Freund Bobby mitgenommen und wisse, was aus ihm geworden ist.
So beginnt ein bizarres Spiel. X beobachtet sie und sendet Laura Jahr für Jahr an ihrem Geburtstag einen Brief. Und in jedem verrät er etwas mehr über Bobbys Schicksal.
Doch für jeden Hinweis verlangt X etwas von Laura … böse, persönliche und verletzende Dinge.

Eine dunkle und irre Geschichte über Besessenheit und Schuldgefühle. Herzzerreißend, tragisch. Die Realität ist voller Grauen. Denn in unserer modernen Welt lauern keine untoten Geister, sondern die Monster aus der Nachbarschaft.

Laura ist 13 als aus ihr und Bobby ein Paar wird, immerhin für einen ganzen Tag, danach verschwindet ihr Freund spurlos.
Wäre sie an jenem verhängnisvollen Morgen nicht so vergesslich gewesen, hätte sie sich nicht noch einmal auf den Weg nach Hause machen müssen und Bobby wäre nie in de Van gestiegen. Das ist das letzte Mal, dass Laura ihn sieht, im Auto mit einem fremden Mann.
Ein Jahr später, an ihrem 14. Geburtstag, erhält sie den ersten Brief, weitere folgen und jeder bringt sie eine Schritt näher zu Bobby …

Manche Geschichten sind sind vor allem eins, abgrundtief böse, soviel gleich zu Beginn.
Laura ist ein Teenager, der gerade die erste Liebe erlebt, doch ihr Glück währt nicht lange. Bobby, den sie von klein auf kennt, ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, wird aus ihrem Leben gerissen.
Sie quält sich mit Selbstvorwürfen, aber auch Bobbys Mutter ist nicht gut auf sie zu sprechen. Bereits da frage ich mich ernsthaft, wie eine Erwachsene einem jungen Mädchen, das selbst in tiefer Trauer steckt, so etwas antun kann. Doch es kommt noch viel schlimmer, denn ein Jahr später erhält das Mädchen den ersten Brief von X, der will dieser Ungewissheit ein Ende machen und ihr erzählen, was mit Bobby passiert ist, doch nicht ohne Gegenleistung, Quidproquo. Sofort musste ich an „Das Schweigen der Lämmer“ denken, auch da war der Preis ein verdammt hoher. Hinzu kommt, dass er ihr jedes Jahr nur einen Brief  schreibt und so begibt sich Laura auf eine 30-jährige Schnitzeljagd, die nun ein Ende finden soll.
Der Leser begleitet sie dabei und erfährt Stück für Stück, was in den vergangenen Jahren passiert ist, von Bobbys Verschwinden bis zum letzten Brief und man kommt nicht umhin, das Mädchen von einst und die Frau, zu der sie wurde zu bedauern. Kinderseelen sind verletzlich, falsche Entscheidungen können Leben zerstören, das bekommt man hier immer wieder auf eine sehr eindringliche Weise vor Augen gehalten. Der Schreibstil ist packend, man fühlt sich, als würde man Laura auf ihrer Reise in die Dunkelheit begleiten.
Doch ich muss gestehen, ab und an hab ich auch einfach nur mit dem Kopf geschüttelt, denn einige Dinge erschienen mir doch etwas unlogisch, besonders in Bezug auf X, der hier das Böse in Person darstellt. Zu ihm hätte ich nur zu gern etwas mehr erfahren und leider bleiben auch einige Fragen unbeantwortet, sowas macht mich persönlich ja immer wahnsinnig.^^
Unterm Strich ist „Briefe an Laura“ jedoch ein Buch, das wohl noch eine ganze Weile nachklingen wird, auch wenn das Ende für mich nicht ganz befriedigend ist.  
Dafür beherrscht es Gemma Amor fast ohne körperliche Gewalt und Blutvergießen eine so unheilvolle Atmosphäre zu schaffen, dass ich immer wieder Gänsehaut am ganzen Körper hatte und mir Laura einfach nur unendlich leid tut. Das muss man erstmal schaffen und so ist diese kleine fiese Story bisher meine liebste aus der Festa Special Reihe.. 

Eine grausame Story ohne explizite Gewaltbeschreibungen, dass das sehr gut funktionieren kann und dennoch fesselt, beweist Gemma Amor. Wir alle lassen uns viel zu leicht manipulieren und wer wissen will, wie sich solche Spielchen auf die Psyche eines Kindes auswirken, kommt an „Briefe an Laura“ nicht vorbei. Ja, ich habe mich beim Lesen dieses Buches sehr unwohl gefühlt und hin- und hergerissen, dafür vergebe ich 4,5 von 5 Miezekatzen. 

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