„The Ascent: Der Aufstieg“ – Ronald Malfi

“ … »Ich bin Dozent«, setzte ich an.
»Nein, bist du nicht. Du magst mal ein begnadeter Bildhauer gewesen sein, aber du hast die Kunst aufgegeben. Du warst mal ein Sportler, aber du hast den Sport aufgegeben. Und welcher kümmerliche Rest ist dir noch geblieben?« …“

Die Geister, die wir in uns tragen … Es ist ein gefährliches Unterfangen – denn es könnte sein Ende bedeuten. Doch für Tim Overleigh, einen ehemals berühmten Bildhauer, der nach dem Tod seiner Frau langsam dem Alkoholismus verfällt, ist die Flucht in Extremsportarten das Einzige, dass ihn vor der Abwärtsspirale aus Selbstvorwürfen und Schmerz rettet. Er schließt sich einer Gruppe von Bergsteigern an, die von dem ebenso reichen wie exzentrischen Abenteurer Trumbauer für einen selbstmörderischen Trip durch die Bergwelt Nepals zusammengestellt wurde. Jeder Teilnehmer scheint aus einem ganz besonderen Grund ausgewählt worden zu sein. Je weiter sich Overleigh in die unerforschten Regionen des Himalaja vorwagt, um so mehr vermischen sich reale Strapazen mit den Schatten seiner Vergangenheit, und auch Trumbauer scheint einen ganz eigenen Plan zu verfolgen. Aus dem Kampf mit dem Berg und der Kälte wird ein Kampf gegen die eigenen Dämonen.

Tim hat genug. Seit dem Unfalltod seiner Frau Hannah hat der Bildhauer kein einziges Kunstwerk mehr erschaffen, greift gern zur Flasche und als er dem Tod schließlich ins Auge blickt wird er ausgerechnet von Hannah gerettet. Schließlich taucht auch noch ein Freund von ihr auf, Andrew Trumbauer, der versucht, Tim ins Leben zurückzuholen. Erst schickt er ihm einen Steinquader, doch Tim schafft es nicht, eine Form aus ihm herauszuholen, zu sehr ist er in Selbstmitleid versunken. Doch dann bekommt er eine Einladung zu einer Expedition in den Himalaja, zusammen mit einer zusammengewürfelten Gruppe will Trumbauer den sagenumwobenen Schlucht der Seelen suchen. In Schnee und Eis angekommen, gibt es schon bald die ersten Reibereien und schließlich einen Toten, doch das ist erst der Anfang …

„The Ascent“ habe ich bereits im Mai gewesen, dabei wäre gerade jetzt der perfekte Zeitpunkt, um der Hitze zu entfliehen und in eine Welt aus Eis und Schnee abzutauchen.
Ich mag Ronald Malfis Bücher und auch diesmal hat er mich nicht enttäuscht, über die doch recht vielen Fehler hab ich einfach hinweggelesen.
Malfi lässt Tim, seinen Protagonisten, die Geschichte aus seiner Sicht in Ich-Form erzählen. Der Bildhauer ist ein Wrack, schottet sich ab, säuft und kriegt nix mehr auf die Reihe, besonders sympathisch macht ihn das nicht. Um zu verstehen, warum er so drauf ist, gibt es immer wieder Ausflüge in die Vergangenheit, dabei lernt man auch Andrew Trumbauer kennen. Der steht auf extreme Herausforderungen und hat genug Geld, um eine Expedition zur Schlucht der Seelen zu organisieren. In Nepal wissen alle von diesem heiligen Ort, betreten hat ihn bisher niemand.
Tim nimmt die Einladung an und hofft, so aus seinem Loch herauszukommen. Seine Reisebegleiter sind ihm fremd, keiner von ihnen verfügt über die nötige Erfahrung und doch müssen sie sich alle aufeinander verlassen. Allein schon der Gedanke, mein Leben in die Hände von anderen zu legen, lässt mich schauern, ich weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen würde.
Trumbauer führt die Gruppe zwar an, hält sich jedoch eher im Hintergrund und beobachtet. Er ist von Anfang an eine sehr zwielichtige Figur, die Probleme seiner Mitmenschen interessieren ihn nicht, was mich immer wieder fragen ließ, warum er ausgerechnet Tim in seinem Team will. Das er nichts Gutes im Schilde führt, scheint klar, unklar hingegen ist, was ihn antreibt.
Ich mag Malfis Charaktere, denen man sich immer irgendwie verbunden fühlt, auch wenn Tim nicht der strahlende Held, sondern eher ein labiler, gebrochener Mann ist, der sich seinen Dämonen stellt. Trumbauer ist der Gegenpol dazu, egoistisch, exzentrisch, immer bereit, bis an die Grenzen und darüber hinaus zu gehen.
Hatte ich zu Beginn noch befürchtet zu viel trockene Fakten aus dem Bergsteigerleben serviert zu bekommen, erweist sich „The Ascent“ jedoch schon bald als spannender Psychotrip einer Männertruppe, die weitab der Zivilisation um ihr Überleben kämpft und Schuld daran ist nicht nur der harte Aufstieg. Der Autor schafft es mit seinem lebendigem Schreibstil erneut, dass ich vollkommen in die Geschichte eintauche, mitfiebere und es mich ab und an sogar ein bisschen fröstelt, auch wenn ich die Übersetzung diesmal für nicht so ganz geglückt halte.

Für mich ist „The Ascent“ die perfekte Sommerlektüre, es gibt nichts besseres, als bei der Hitze zumindest gedanklich durch Eis und Schnee zu waten. Wer Psychospielchen mag und nichts gegen einen kleinen Ausflug in esoterische Gefilde hat, kann hier bedenkenlos zugreifen. Ich vergebe 4 von 5 Miezekatzen und gönne mir jetzt erstmal ein Eis.^^ 

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