„Der Ausgestoßene“ – Graham Masterton

“ … »Weil in Granithead die Geschichte der Seefahrt und die Geschichte der Geistererscheinungen untrennbar miteinander verbunden sind. Das hier ist ein magischer Ort, Mr. Trenton, das haben Sie ja schon am eigenen Leib erfahren. Und diese Magie ist real, und sie ist gewalttätig. Das ist nicht so wie im Spukhaus in Disneyland.« … “ (Seite 138)

»Jane? Bist du das?«
Sie begann sich langsam am Fuß des Bettes abzuzeichnen. Das Haar wehte um ihr ausgezehrtes Gesicht in einem nicht spürbaren Wind. Was mich am meisten erschreckte, war ihre Größe. In diesen sich nur schwach abzeichnenden, weißen Gewändern war sie mehr als zwei Meter groß. Ihr Haar berührte fast die Decke und sie blickte aus einem reglosen Gesicht auf mich herunter.
Kalt wie ein Schauer des nordatlantischen Regens durchdrang mich die Angst. »Du bist nicht wirklich. Jane, du bist tot! Du kannst nicht hier sein, du bist tot!«
»John …« Sie seufzte und ihre Stimme klang, als würden die Worte von vier oder fünf Stimmen gleichzeitig gebildet. »John … schlaf mit mir.«

Nachdem Johns Frau zusammen mit dem ungeborenen Kind bei einem Autounfall gestorben ist, hört er nachts vor seinem Haus die Schaukel quietschen und ist sich sicher, das kann nur seine Frau sein. Später sieht er sie tatsächlich, doch Jane hat sich verändert und das nicht nur äußerlich.
Der Antiquitätenhändler ist nicht der Einzige, der verstorbene Angehörige sieht und unglücklicherweise endet das Ganze meist sehr unerfreulich. Die Ladung eines gesunken Schiffes vor Salems Küste soll Schuld daran sein, dass die Toten umherwandeln, aber was hatte die „David Dark“ an Bord?

„Der Ausgestoßene“ ist nicht Graham Mastertons stärkstes Buch. Es dauert recht lange, bis die Story Fahrt aufnimmt und man weiß, in welche Richtung es überhaupt gehen soll. Ist das aber erst einmal geklärt, weiß es mit seinem Mix aus Horror und Geschichte zu punkten.
John ist seit kurzem Witwer, seine Frau Jane und ihr ungeborenes Kind sind bei einem Unfall ums Leben gekommen, für den Johns Schwiegereltern ihm die Schuld geben. Das Leben meint es momentan also nicht besonders gut mit ihm und dann sieht er Janes Geist, dieser erweist sich als sehr fordernd und hat nichts mehr von seiner liebevollen Frau. Leider bin ich mit John nicht warm geworden, sein Verhalten geht mir immer wieder gegen den Strich. Einerseits weint er seiner Frau nach, andererseits hat er kein Problem sich auf die Anbaggerversuche einer völlig Fremden einzulassen, er ist egoistisch und sprunghaft, für mich kein besonders sympathischer Zeitgenosse und mir fiel es schwer, Mitleid mit ihm zu haben. Vielleicht bin ich zu hart, aber seine ganze Art hat mich immer mehr genervt, je weiter die Geschichte voranging.
John kauft auf einer Auktion ein altes Bild, auf dem ein Schiff zu sehen ist, dass Ende des 17. Jahrhunderts vor der Küste von Salem gesunken ist, ein Bild, an dem Edward interessiert ist, der im örtlichen Museum arbeitet über das Schiff, die „David Dark“, gibt es keinerlei Unterlagen, man weiß nur, wann es damals den Hafen verlassen hat. Damit beginnt der interessanteste Teil der Story, der Ausflug in die Vergangenheit Salems. Und da hat mich Masterton dann wieder, denn bei Hexen bin ich immer ganz Feuer und Flamme. Okay, ein schlechtes Wortspiel.^^
„Der Ausgestoßene“ ist eine klassische Spukgeschichte, in einem kleinen Küstenstädtchen gehen Geister umher, ausgelöst durch ein Ereignis, das viele Jahrzehnte zurückliegt. Natürlich verleiht der Autor dem eine ganz eigene Note, es wird blutig und auch ein wenig erotisch, ganz so, wie man es von ihm gewohnt ist. Allerdings fehlt mir diesmal eine Figur, mit der ich Mitfiebern kann, John ist dazu mir einfach zu oberflächlich. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass mich eigentlich keiner der Charaktere so wirklich begeistert hat.
Und falls sich jemand wundern sollte, warum im Header kein Preis für das Buch steht: „Der Ausgestoßene“ gab es als Zugabe zur Sammlerausgabe von Matt Shaws „Extrem Bizarr“ aus dem Festa Verlag, eine tolle Geste, zumal ich die Taschenbuchausgabe damals leider verpasst habe und ich das Werk nun endlich in meine Masterton Sammlung einreihen durfte.

Ich mag es, wenn Autoren ein wenig abschweifen und ihre Leser auch an Dingen teilhaben lassen, die nicht unbedingt essenziell für die Geschichte sind, allein schon weil ich mir dann ein besseres Bild von dem ganzen Drumherum machen und somit tiefer ins Geschehen eintauchen kann. Das ist Graham Masterton bei „Der Ausgestoßene“ wunderbar gelungen, er hat den geschichtlichen Hintergründen hier viel Aufmerksamkeit gewidmet, darüber aber meiner Meinung nach seine Figuren vergessen. Zwischen mir und ihnen bleibt eine kleine Kluft, es interessiert mich schon, was ihnen zustößt, aber das war es auch schon. Da ist kein Daumendrücken, kein Luftanhalten, kein „Ach komm, mach schon“, schade. Das soll keineswegs heißen, dass das Buch schlecht ist, aber mir fehlt hier einfach das gewisse Etwas, das Tüpfelchen auf dem i und so vergebe ich diesmal schweren Herzens nur 3,5 von 5 Miezekatzen, weil ich weiß, dass der Autor es besser kann.

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