„Die Gruft des Doktor Amorbius“ – Tanja Hanika

“ … Glück und Lust und schmerzlich ersehnte Geborgenheit vereinten sich in seinem Leib. Es war für ihn keine Tote, die unter ihm lag. Sie war ein Wunder, das ihm einen letzten Moment der Wonne schenkte, einen Lichtblick in der Finsternis. …“

Ist es die Einsamkeit, die in ihm schlummert, oder eine bislang verborgene Dunkelheit, die an die Oberfläche bricht?
Doktor Konrad R. Amorbius macht sich eines unsäglichen Verbrechens schuldig: Er heuert Leichendiebe an. An den toten Körpern forscht der Doktor, um wichtige Erkenntnisse zu erlangen, die Medizin zu verbessern und viele Menschenleben zu retten, nachdem er es nicht vermochte, die Krankheit seiner geliebten Frau zu heilen.
Seine Moral wird bald auf eine harte Probe gestellt und die Folgen sind schlimmer als des Doktors schlimmster Albtraum – und schreckliche Dinge zu träumen vermag er so gut, wie er sein blutiges Handwerk beherrscht. Eine folgenschwere Nacht führt ihn immer wieder zur Familiengruft, die fortan ein düsteres Geheimnis vor der Welt verbirgt.

Dr. Konrad R. Amorbius lässt sich immer wieder Leichen bringen, um sie heimlich nachts in seinem Keller aufzuschneiden und so bessere Kenntnisse über den menschlichen Körper zu erlangen. Weder seine Angestellten, noch seine Tochter wissen, was er dort unten treibt. Als er feststellt, dass eine der Leichen wie seine verstorbene Frau aussieht, ist er hin- und hergerissen, er bringt es nicht fertig, das Skalpell auch bei ihr anzusetzen und bringt sie stattdessen in die Familiengruft, wo er sie immer wieder aufsucht. Ein großer Fehler, wie sich schon bald zeigt. 

Ein Doktor, der sich Leichen liefern lässt um an ihnen zu forschen, kein wirklich neues Thema für eine Gruselgeschichte. Dass früher Mangel an Forschungsobjekten herrschte und man sich die Subjekte auf nicht legale Art und Weise beschaffen musste, ist bekannt, aber Tanja Hanika geht in ihrer Geschichte noch einen Schritt weiter. Dr. Konrad R. Amorbius ist ein alleinerziehender Vater, der seine Frau an eine Krankheit verloren hat und nun alles daran setzt, andere vor diesem Schicksal zu bewahren. Seine nächtlichen Obduktionen im Keller lenken ihn von der Trauer und Leere ab, die er empfindet, bis zu jener verhängnisvollen Nacht, in der eine Leiche angeliefert wird, die seiner verstorbenen Frau so sehr ähnelt, das es schmerzt, das alte Sehnsüchte wachgerufen werden und er ihren Körper einfach nicht aufschneiden kann. Stattdessen tut er etwas Unbeschreibliches, das unerwartete Folgen hat, für ihn und für andere.
In „Die Gruft des Doktor Amorbious“ geht es ganz schön zur Sache. Es wird nicht nur munter an toten Körpern herumgeschnetzelt, nein, die Autorin scheut sich auch nicht davor, ein sehr spezielles Thema anzuschneiden, nämlich Leichenschändung. Während der Protagonist während der Tat selbst Hochgefühle erlebt, wird er danach von Schuld zerfressen und sein Handeln hat ungeahnte Konsequenzen, nicht nur für ihn.
Aber ist der Doktor nun Täter oder Opfer? Geschickt spielt die Autorin hier mit den Gefühlen ihrer Leser, denn natürlich tut einem der gebrochene, fast schon depressive Mann leid, der krampfhaft versucht, trotz allem an einem „normalen“ Leben festzuhalten. Aber ist das Naivität oder Feigheit?
Neben dem düsteren Setting lebt die Geschichte von ihren Figuren. So gibt Amorbius‘ Tochter Charlotte einen kleinen Einblick in die Geflogenheiten der damaligen Zeit, selbst ihr Sprachstil ist angepasst ohne altbacken zu wirken und das verleiht dem Geschehen trotz allem einen gewissen Charm, mildert das Ganze sogar ein bisschen ab. Leider hat mich das Ende dann enttäuscht, hier auszuführen warum würde allerdings spoilern.

„Die Gruft des Doktor Amorbius“ sorgt für Gruselstimmung und passt damit wunderbar in die Halloweenzeit. Aufgrund der etwas kontroversen Thematik ist das Buch sicherlich nicht für jeden geeignet, aber wer sich darauf einlässt, kann in eine wunderbar düstere Geschichte eintauchen, die für Gänsehaut sorgt. Mein einziger Kritikpunkt: das Ende, deswegen gibt es von mir 4 von 5 Miezekatzen.

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