„Der Schlechte“ – Rebekah Stoke

… “ Was für ein Mensch möchten Sie sein?“ hatte seine Anwältin ihn gefragt. „Was für ein Mensch möchte Jerome Williams sein?
Jerome öffnete den Mund, während er seine Augen fest geschlossen hielt, und schrie. … 

Als Philipp Greenbush an einem Sommerabend die anonyme Nachricht erreicht, dass seine Ehefrau und seine kleine Tochter entführt wurden, beginnt für ihn ein Wettlauf gegen die Zeit. Den Entführer kennt Philipp ganz genau: Es ist der schwarze Jerome Williams, sein ehemals bester Freund, der für den brutalen Akt, der sich damals in den Sümpfen Louisianas abgespielt hat, zu einer 25-jährigen Haftstrafe verurteilt worden war. All die Jahre hat Philipp geglaubt, ruhig leben und endlich vergessen zu können, muss nun aber, um die Forderungen des Entführers zu erfüllen, an jenen grausamen Ort zurückkehren, den er niemals wieder betreten wollte. Denn der Schwarze hat nicht vergessen – im Gegenteil. Er will Rache. Und schließlich sieht sich Philipp dazu gezwungen, etwas für ihn Undenkbares zu tun, um das Leben seiner Frau und seines Kindes zu retten.

Philipp ist Schuld daran, dass Jerome einen Großteil seines Lebens im Gefängnis verbracht hat, dabei waren die beiden früher beste Freunde. Doch das ist lange her.
Jetzt will Jerome nur, dass Philipp zugibt, was er damals getan hat, also beobachtet er dessen Frau und ihre kleine Tochter und entführt die beiden, als sie mit dem Fahrrad unterwegs sind.
Er will beiden nichts tun, aber er braucht sie als Druckmittel, anders kann er Philipp nicht beikommen …

Bis jetzt haben mich alle Bücher von Rebekah Stoke begeistert, allerdings fand ich „Die Gequälte“ nicht ganz so gut wie den Rest. Dafür haut „Der Schlechte“ wieder voll rein.
Der Klappentext führt einen hier allerdings ein bisschen aufs Glatteis, denn recht schnell ist klar, das mit den Bezeichnungen gut und schlecht hier recht variabel umgegangen wird.
Dass Jerome für einen Mord im Gefängnis saß, den er nicht begangen hat, beteuert er von Anfang an, was damals wirklich geschehen ist, erfährt man jedoch nur Stück für Stück.
Aber er ist nun mal ein Farbiger und er war am Tatort, in den Südstaaten schon fast ein Schuldspruch.
So viele Jahre hat er im Gefängnis verbracht und als er entlassen wird, hält ihn sogar seine Schwester für schuldig, seine kleine Schwester, die er nicht hat aufwachsen sehen, zu deren Hochzeit er nicht gehen konnte. Jerome will klare Verhältnisse schaffen, doch dafür braucht er Philipps Geständnis und der wird einen Teufel tun, sich sein Leben zu versauen, denn ihm geht es inzwischen gut.
Jerome tat mir einfach nur wahnsinnig leid, während seiner Zeit im Knast ist so viel geschehen. Das Wiedersehen mit seiner Schwester ist eher ernüchternd, aber wenigstens seine Mutter heißt ihn willkommen.
Philipp hingegen hat in der Zwischenzeit Karriere in der Firma seines Vaters gemacht, er hat ein Haus, ist verheiratet und Vater einer kleinen Tochter. Nichts erinnert mehr daran, wie nahe er und Jerome sich einst standen. Dabei gab es eine Zeit, da war er immer für seinem Freund da, ging bei dessen Familie ein- und aus, hat ihn vor den Rassisten in der Stadt in Schutz genommen.
Jetzt ist er einfach nur noch erschreckend kalt und gefühllos, der Mann, den der Leser kennenlernt, hat nichts mehr mit dem Teenager gemeinsam, über den man in den Rückblenden immer wieder liest. Allein die Tatsache, dass er sich lieber selbst, als er Jeromes Brief vorfindet, anstatt sich auf den Weg zu machen um seine Familie zu retten, sagt einiges über ihn aus.
Bereits im Prolog wirft Rebekah Stoke den Leser mitten in die Handlung und lässt Judith, eine junge Mutter und ihr Kind von einem großen Schwarzen entführen. Natürlich hat Philipps Ehefrau keinen blassen Schimmer von den Vorkommnissen damals, muss aber schon bald erkennen, dass ihr ehrenwerter Mann eben doch nicht ganz so ehrenwert ist.
Auch Judith habe ich nicht beneidet, durchlebt sie doch ebenfalls die Hölle. Und ich ziehe vor ihr den Hut, denn sie hinterfragt die Geschehnisse und zieht ihre eigenen Schlüsse daraus.
„Der Schlechte“ ist ein Buch, dass zum Nachdenken anregt und gleichzeitig verdammt erschreckend ist, da es zeigt, dass Rassismus immer noch an der Tagesordnung ist, in manchen Gegenden ganz besonders. Wenn man dann zur falschen Zeit am falschen Ort ist und auch noch die falsche Hautfarbe hat, dann ist alles zu spät. Man glaubt, seine Freunde zu kennen und trotzdem, oder genau deswegen, sind genau das die Menschen, die einen am meisten verletzen können.
Und trotzdem erzählt dieses Buch auch von Freundschaft und Zusammenhalt, davon, dass man manchmal die falschen Sachen tun muss, um das Richtige zu erreichen und schlecht eben nicht immer schlecht ist.
Rebekah Stoke hat hier wunderbare Charaktere geschaffen, allem voran natürlich Jerome, seine Mutter und Judith, aber eben auch weniger liebenswerte Figuren wie Philipp, Sadie und Chris, alle drei waren mir eher suspekt.
Das Setting für diese Geschichte passt wie die Faust aufs Auge, man fühlt sich fast, als wäre man bei den Ausflügen in die Sümpfe dabei und könnte jedem Moment einem Alligator in die Augen blicken, doch das wirkliche Raubtier ist und bleibt der Mensch.

Oh man, was für ein Buch, ich hab ein paar Mal echt geschluckt, weil mir das Ganze sehr nahe gegangen ist. Jerome möchte man am Liebsten permanent in den Arm nehmen, während man Philipp, nun ja, reden wir nicht darüber …
4,5 von 5 Miezekatzen, mehr möchte ich dazu gar nicht schreiben.^^

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