“ … Ich war zwölf, als ich meinen toten Vater zum ersten Mal von der Küche in den Flur hinübergehen sah, der zur Waschküche führte. …“ (Seite 9)
Eines Nachts sieht ein Fünfzehnjähriger eine Gestalt. Sie erinnert ihn an seinen längst verstorbenen Vater, der auf mysteriöse Weise ums Leben kam, bevor seine Familie das Reservat verließ.
Als er der Gestalt durch das Haus folgt, entdeckt er, dass dieses größer ist, als ihm bewusst war. Es ist einer dieser Orte, in dem man sich verlieren kann und gleichzeitig Dinge findet, die man lieber nicht hätte finden sollen.
Im Laufe einiger Nächte versucht der Junge, sein Haus zu kartographieren, was seinen kleinen Bruder in Lebensgefahr bringt und ihn selbst gleichzeitig in die Lage, sie beide zu retten … zu einem schrecklichen Preis.
Junior hat nach dem Tod seines Vaters zusammen mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder ein neues Leben angefangen. Dino leidet an einer Entwicklungsstörung und ist so immer wieder das perfekte Mobbingopfer, allerdings scheint ihm das nicht viel auszumachen. Und seine Mutter redet nicht über seinen Dad. Als der schließlich nachts auftaucht, versucht Junior herauszufinden, was damals mit ihm passiert ist und was er jetzt von ihm will.
Kennt ihr das, wenn Klappentexte extrem neugierig machen? Man hält das Buch in der Hand und möchte am Liebsten gleich zu lesen anfangen. So erging es mir mit „Kartographie des Inneren“ , doch leider bekommt man nicht immer was man erwartet. Ich hatte mit einer Coming of Age Story gerechnet, mit Ausflügen in die mystische Welt der Indianer, beides Dinge, die ich sehr mag und in Kombination bestimmt toll. Ein bisschen von beidem ist durchaus enthalten, aber trotzdem geht das Buch einen anderen Weg, einen sehr eigenwilligen, wie ich finde. Das kann großartig werden, oder eben wie hier für mich nach hinten losgehen. Das liegt gar nicht mal unbedingt an der Story selbst, sondern an Stephen Graham Jones Art, sie zu erzählen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er alles getan hat, um mir Steine in den Weg zu legen, seine Geschichte bewusst zu verkomplizieren. Das mag sich merkwürdig anhören, aber wer das Buch gelesen hat, weiß sicherlich, worauf ich hinaus will. Dabei fängt alles so vielversprechend an.
Junior hat indianische Wurzeln, früher lebte seine Familie im Reservat, nach dem Tod seines Vater zog der Rest der Familie in die Stadt, wo alles besser, größer und anders ist. War es eine Flucht vor den Geistern der Vergangenheit? Schon die Hintergrundgeschichte bietet so viele Möglichkeiten, so viele Dinge, auf die man eingehen könnte, leider wird nichts davon aufgegriffen, so bleibt mir Junior seltsam fremd und auch, als immer wieder merkwürdige Dinge passieren, reißt mich das nicht mehr vom Hocker. Mein Wohlwollen als Leser hat der Autor inzwischen verspielt, denn er deutet viele Dinge nur an, wirft mir Brocken hin und ich muss sehen, wie ich damit klarkomme. Ein Puzzle selbst zusammenzusetzen kann Spaß machen, hier aber bleibt der für mich immer mehr auf der Strecke. Schon mit „Die Nacht der Schaufensterpuppen“ hatte ich teilweise meine Schwierigkeiten, da konnte ich der Geschichte allerdings ohne Probleme folgen und Sawyers Handlungen zumindest ansatzweise verstehen. Im Gegensatz dazu frage ich mich hier immer wieder, was zum Geier Juniors Problem ist. Und ich habe keine Ahnung warum, aber ich fühle mich wie in einer schlechten Version von „Friedhof der Kuscheltiere“.^^
„Kartographie des Inneren“ ist in der Cemetery Dance Germany Select Reihe des Buchheim Verlages erschienen und wurde, wie alle anderen Bände, illustriert von Daniele Serra.
Schade, „Kartographie des Inneren“ bietet einen sehr interessanten Ansatz, verschenkt aber viel Potenzial. Juniors zwanghafte Suche wird für mich immer mehr zur Qual und ich hab tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen, das tue ich äußerst selten. Aber natürlich musste ich wissen, wie das Ganze ausgeht und auch das war ernüchternd und irgendwie auch wieder vorhersehbar. Stephen Graham Jones mag ein guter Autor sein, aber ich komme mit seiner Erzählweise einfach nicht klar, kann keine Beziehung zu seinen Charakteren aufbauen. Man kann eben nicht alles mögen, das ist gut so und so bleiben am Ende 3 von 5 Miezekatzen. Eigentlich kein so schlechtes Ergebnis, aber für eine Geschichte, von der ich mir so viel erhofft hatte eben doch sehr enttäuschend.