„Die Sünderin“ – Rebekah Stoke

“ … Blauer Samt hing vor den Fenstern. Bobby Vinton sang. Der süße Duft des einsetzenden Herbstes flutete ein letztes Mal ihre Sinne. Das Ticken der Uhr vernahm sie schon nicht mehr. „Büße!“ Das war das Letzte, was sie hörte, als sie den Kopf wegdrehte, weil ihr Rachen sich mit Blut füllte, an dem sie ersticken würde.
Büße. Für das, was du getan hast. Für das Leben in Sünde. …“ 

Nachts, wenn sich das Tor zur Hölle öffnet, nimmt sich die Sünderin ihre Opfer …

Während eines Roadtrips mit ihren Freundinnen lernt Therese Roberts den geheimnisvollen William Marou kennen. Beeindruckt von den Zeichnungen des jungen Künstlers, verliebt sie sich schnell in Will und zieht mit ihm in das Herrenhaus Abbeville Manor in der Küstenlandschaft Louisianas. Alles scheint perfekt, bis Will sich verändert und ihr außerdem den Zutritt zum Ostflügel und Keller des Hauses verbietet. Von ihrer Neugier gepackt, widersetzt sich Therese und findet Hinweise darauf, dass Abbeville Manor einst ein Kinderheim gewesen ist.
Als Wills Verhalten immer sonderbarer wird, beginnt Therese, an seiner Aussage zu zweifeln, er habe das Haus vorher nicht gekannt. Sie entdeckt in seinen Sachen den Pass einer kürzlich hier ertrunkenen Frau und erfährt, dass Abbeville Manor unter der Heimleitung der Sünderin niemals ein guter Ort war – im Gegenteil.
Während Therese nach Antworten sucht, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn das Haus gehört jemandem, der keine Eindringlinge wünscht. Als Therese eine weitere Tote findet und begreift, was Will mit dem Haus zu tun hat, weiß sie, dass sie niemals hätte herkommen dürfen. Denn nachts öffnet sich in Abbeville Manor das Tor zur Hölle …

Therese hatte schon immer ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Eltern, doch je älter sie wird, umso mehr fühlt sie sich unter Druck gesetzt, irgendwann muss sie einfach ausbrechen. Und so unternimmt sie nach einem Riesenkrach daheim mit zwei Mitstudentinnen einen Roadtrip quer durch Amerika. Unterwegs lernt sie Will kennen und statt ihre Reise fortzusetzen, steigt sie zu dem jungen Mann ins Auto. Der einfühlsame Künstler ist der Mann ihrer Träume und als er ein Haus kauft, ist Therese überglücklich. Das ändert sich jedoch schon kurz nach dem Einzug.

Eine alte kranke Frau, die im Dunkeln auf den Tod wartet und ein alter Bobby Vinton Song, der den Leser das ganze Buch über begleitet. „She wore blue velvet, bluer than velvet was the night …“, ich werde das Lied wohl nie wieder hören, ohne an „Die Sünderin“ von Rebekah Stoke denken zu müssen. Und das ist durchaus ein Kompliment, denn bereits der Einstieg weiß zu fesseln.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Therese, die mit ihren Eltern bricht und ihr altes Leben aufgibt, als sie Will trifft. Und als der ihr erzählt, dass er ein altes Haus kaufen will, scheint das Glück perfekt. Doch bereits am ersten Abend sieht Therese eine dunkle Gestalt und Will beginnt, sich zu verändern. Auch wenn er es abstreitet, scheint er das Haus zu kennen, das keinen guten Ruf hat und als die Junge Frau herausfindet, dass Abbeville Manor früher mal ein Kinderheim unter der Leitung eines sadistischen Geschwisterpaares war, ist klar, was Will und das alte Anwesen verbindet. Doch wer die Autorin kennt, weiß, das nichts so ist, wie es scheint, das wäre ja auch viel zu einfach.
Die Story springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, so bekommt man einen Einblick in all die merkwürdigen Dinge, die Therese erlebt und ist hautnah dabei, wie sie nach und nach an Will zweifelt. Noch viel aufwühlender sind jedoch die Rückblenden, die zeigen, wie skrupellos und bösartig Menschen sein können. Was damals passiert ist, hat Spuren hinterlassen, Schmerzen, Narben die nicht heilen. Und Schuldgefühle. Schuld ist ein wichtiger Bestandteil dieses Buches. Ab wann ist man schuldig und wie lange muss man dafür büßen? Eine Frage, die mich noch lange beschäftigt hat.
Auch die Charaktere haben Tiefe. Zwar finde ich Therese ein wenig arg naiv, kann ich ihr Handeln durchaus nachvollziehen. Sie stammt aus einem behüteten Elternhaus und für sie ist alles Neuland, ein großes Abenteuer, das schon bald in einen Albtraum umschlägt. Ihr Traummann verändert sich, lügt sie an, wird sogar handgreiflich. Ja, Will ist ein Rätsel, aber gerade das macht ihn zu einer so interessanten Figur.

Mit „Die Sünderin“ gelingt es Rebekah Stoke erneut, mich zu überraschen und nicht zum ersten Mal frage ich mich, wie ich wohl in einer solchen Situation reagiert hätte. Wer hier zugreift, der wird mit einer spannenden Story, tollen Figuren und einem Ende, das es in sich hat belohnt. Eine unbedingte Leseempfehlung für alle Psychothriller-Fans, ich vergebe 4,5 von 5 Miezekatzen.

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