„Die Reichweite von Kindern“ – Tim Lebbon

“ … Die Trauer schien Daniel unsichtbar zu machen – er war sich nicht sicher, ob es an seinen Gefühlen oder an denen der anderen lag, aber aus irgendeinem Grund spürte er eine Kluft zwischen sich und den Erwachsenen, die kaum zu überbrücken war. …“ (Seite 19)

Michael Marshall Smith: »Lebbon hat eine der besten und emotional überzeugendsten Geschichten über den Tod geschrieben, die ich je gelesen habe.«

Daniel ist zehn Jahre alt, als seine Mutter stirbt. Sie stirbt jung und hätte noch so viel zu geben gehabt. Er kann das nicht verstehen und will sie nicht gehen lassen.

Nach der Beerdigung beginnt sein Vater mit einer großen Holzkiste zu sprechen, die er unter seinem Bett aufbewahrt. Und als Daniel der Kiste eines Tages etwas zuflüstert … antwortet sie.

Daniel weiß nicht, wessen Stimme das ist. Die Stimme aber weiß umso mehr.

Mit einem Nachwort des Autors und einer Einführung von Michael Marshall Smith.

Daniel ist zehn, als sein Vater ihn nachts weckt um ihm mitzuteilen, dass seine Mutter nach langer Krankheit gestorben ist. Von da an ändert sich alles, vor allem das Verhältnis zu seinem Dad, der trinkt und seine Pflichten vernachlässigt. Trost und Hilfe findet der Junge bei Gary, dem Freund seines Vaters, doch kann er ihm auch anvertrauen, was er in dessen Schlafzimmer gefunden hat?

„Die Reichweite von Kindern“ ist der 4. Band der Cemetery Dance Select Reihe aus dem Buchheim Verlag. Den Schuber mit den ersten 5 Büchern habe ich mir selbst zu Weihnachten geschenkt und mir Tim Lebbons Beitrag bis zum Schluss aufgehoben, weil ich seinen Schreibstil sehr mag und ich wurde nicht enttäuscht.
Daniel hat sich gleich auf der ersten Seite in mein Herz geschlichen, für sein junges Alter hat er schon viel erlebt, am meisten mitgenommen hat ihn natürlich der Tod der Mutter, den er erst nicht wahrhaben will. Dann muss er miterleben, wie sich sein Vater immer mehr verändert und auch seine Mitschüler gehen anders mit ihm um. Der Junge braucht Halt und hat doch nur Gary, den Freund seines Vaters, bis er im Elternschlafzimmer eine seltsame Entdeckung macht.
Lebbon erzählt seine Geschichte auf eine sehr eindringliche Art und Weise aus der Sicht eines Kindes, schon allein das ist sehr aufwühlend. Da sind Vater und Sohn, sie haben haben einen großen Verlust erlitten, schaffen es aber nicht, gemeinsam zu trauern. Beide leben und leiden in ihrer eigenen Welt, Daniel nabelt sich schon auf der Trauerfeier von den Erwachsenen ab, während sein Vater sein Heil immer häufiger auf dem Boden von Bierflaschen sucht. Zwischen ihnen steht Gary, der gute Samariter, der versucht, für beide gleichermaßen da zu sein. Schon allein deswegen ist er für mich der eigentliche Held dieser Story.
Jeder von uns hat schon einmal einen Verlust erlitten, in jungen Jahren ist der Tod eines Elternteils natürlich besonders tragisch. Genau das macht sich der Autor hier zunutze und sein Plan geht auf, der Leser leidet mit Daniel, der sich allein und im Stich gelassen fühlt, von beiden Eltern. Dabei kann ich auch den Vater gut verstehen, der in seiner Trauer und Einsamkeit genauso gefangen ist wie sein Sohn.
Im Nachwort erzählt Tim Lebbon einiges zur Entstehung dieser Novelle, unter anderem auch, wie er auf den Titel kam, den ich übrigens großartig finde, weil er einfach passt, wie die Faust aufs Auge. Dasselbe gilt übrigens auch wieder für Daniele Serras Illustrationen, die die düstere Story perfekt untermalen.

Was passieren kann, wenn man aneinander vorbeilebt anstatt seinen Schmerz zu teilen, zeigt Tim Lebbon in „Die Reichweite von Kindern“ auf sehr bedrückende Art und Weise. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und handeln nachvollziehbar, auch wenn man sie manchmal einfach nur schütteln möchte. Von mir gibt es vier von fünf Miezekatzen und eine Leseempfehlung, nicht nur für die, die sich auf die einen oder andere Art schon mit dem Tod auseinandersetzen mussten.

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