„1795“ – Niklas Natt och Dag

„Hoch über unseren Köpfen hängen Waagschalen, junger Mann. Tagein, tagaus hängt die eine tiefer als die andere. Aber bald ändert sich das. Mögen sie wieder gleichauf liegen, wenn abgerechnet wird.“ (Seite 103)

1795: In Stockholm öffnen sich die Tore zur Hölle
Im dritten Teil von Niklas Natt och Dags großer Trilogie folgt Emil Winge zusammen mit Jean Michael Cardell ein letztes Mal dem Ruf nach Gerechtigkeit im verruchten Stockholm des späten 18. Jahrhunderts.
Nach einer Feuersbrunst, die viele Leben gekostet hat, liegt der beißende Geruch von Verzweiflung in der Luft. Wie ein hungriges Tier schleicht das Böse in Gestalt des zwielichtigen Tycho Ceton durch die verwinkelten Gassen. Niemand weiß, was für ein widerliches Komplott er als Nächstes plant.
Zeitgleich beginnt das Königshaus eine unerbittliche Jagd auf alle Gegner der Regentschaft. Ein Brief mit den Namen der Verschwörer soll im Umlauf sein – und ausgerechnet die vermisste Anna Stina Knapp wurde damit gesehen. Zwei begnadete Ermittler stellen sich der Dunkelheit entgegen und wollen nicht nur Ceton fassen, sondern auch Anna Stina beschützen: Emil Winge und der einarmige Veteran Jean Michael Cardell. Doch während sie noch versuchen, für das Gute einzustehen, bahnt sich unaufhaltsam ein Inferno an …

Das Waisenhaus ist abgebrannt, Anna Stinas Zwillinge sind darin umgekommen und Cardell hat Erik Drei Rosen, der das Feuer gelegt hat dafür zur Verantwortung gezogen. Doch er hat Gewissensbisse, denn der verwirrte Adlige war nur ein Werkzeug.
Außerdem ist Anna Stina spurlos verschwunden, dabei hat sie wichtige Informationen, die bei den Ermittlungen weiterhelfen könnten. Doch so sehr Cardell sich auch bemüht, er findet keine Spur von ihr.

Ein letztes Mal bin ich mit Jean Michael Cardell und Emil Winge nach Stockholm zurückgekehrt und auch diesmal war es keine entspannte Reise. 1793 haben Mikel Cardell und der inzwischen verstorbene Cecil Winge den Kampf gegen das Böse in der schwedischen Hauptstadt aufgenommen. Seit dem zweiten Band ist Emil in die zu großen Fußstapfen seines Bruders getreten und immer noch fühlt er sich unwohl in seiner Rolle, denn er ist nicht wie Cecil, versucht aber dennoch dessen Pflichten nachzukommen, er und Mikel bilden eher eine Art Zweckgemeinschaft. Beide hadern aus ganz unterschiedlichen Gründen mit ihrem Leben, haben aber ein gemeinsames Ziel: Sie wollen endlich Tycho Ceton stellen, der für den Brand im Waisenhaus verantwortlich ist, doch der hat noch immer angesehene Gönner.
Auch der letzte Band der Trilogie zeigt wieder das harte Leben der Unterschicht in Stockholm, vor allem in den Spinnhäusern, in denen straffällig gewordene Frauen arbeiten müssen und schutzlos der Gewalt der Aufseher ausgeliefert sind. Nein, das Leben in Schweden ist nicht einfach, wenn man nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, immer wieder kommt es zu Unruhen, zu Aufständen, Verschwörungen und Hinrichtungen und mitten in all diesem Chaos führen der einstige Soldat Cardell und der ehemalige Säufer und von Visionen geplagte Winge einen aussichtslosen Kampf für Gerechtigkeit und gegen ihre eigenen Dämonen. Dass es auch in „1795“ keine Aussicht auf ein happy End gibt, ist klar, schließlich lebt die Reihe von ihrer düsteren Grundstimmung, der Verzweiflung der Charaktere. Das gilt sowohl für die beiden Ermittler also auch für Anna Stina, der immer wieder Schreckliches zustößt. Sie ist die Figur, die mir am meisten leidtut, weil sie einfach keine Chance auf ein normales Leben bekommt und trotzdem ist sie verdammt zäh, wofür sie meine volle Bewunderung hat. Die hat übrigens auch Niklas Natt och Dag, denn dank seiner Beschreibungen von Stockholm habe ich die Abfälle, den Unrat und die ungewaschenen Körper förmlich gerochen, während ich mich mit Winge und Cardell durch die Stadt geschlagen habe, konnte ich fast schon zu intensiv in das damalige Leben eintauchen.

„1795“ ist der gelungene Abschluss einer spannenden Reihe, für die man einen stabilen Magen braucht, denn das Leben in Stockholm Ende des 18. Jahrhunderts war kein Zuckerschlecken und auch die geschilderten Mordfälle haben es in sich. Wer sich gern auf Verbrecherjagd durch dunkle, stinkende Gassen begibt, bekommt hier eine tolle Geschichte geboten, deren Helden etwas eigen sind, aber gerade das macht sie aus. Doch auch wenn das Ende stimmig ist und eigentlich perfekt passt, hätte ich mir für die Beiden etwas besseres gewünscht.

01. „1793“
02. „1794“
03. „1795“

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