„1794“ – Niklas Natt och Dag

“ … Die Landschaft trägt ihr Sommerkleid, und wo immer sich hinter den Höfen Getreidefelder erstrecken, verspricht die Ernte erstmals seit Jahren wieder gut zu werden, als wolle die Natur den strengen Winter wieder wettmachen. Für viele kommt diese Gnade zu spät; für sie dienen Laub und Blüten, die jetzt im Überfluss vorhanden sind, nur mehr dazu, die Gräber zu schmücken. …“ (Seite 199) 

Nach den Ereignissen des letzten Jahres fällt Jean Michael Cardell in ein tiefes Loch. Die Ermittlungen im Fall der verstümmelten Leiche gaben seinem Leben einen Sinn. Nun ist er wieder da, wo er vorher war. Bis zu dem Tag, als ihn eine Frau kontaktiert: Ihre Tochter wurde in der Hochzeitsnacht auf grausamste Weise zugerichtet und getötet. Als Täter wird deren frisch angetrauter adeliger Ehemann identifiziert und in ein Irrenhaus eingewiesen. Die Mutter der Getöteten glaubt diese Version jedoch nicht und sucht Hilfe bei Cardell. Seine Nachforschungen führen diesen erneut in die Abgründe Stockholms, und er muss feststellen, dass die Stadt verruchter und gefährlicher ist als je zuvor.

Erik Drei Rosen lebt mit seinem Vater und seinem Bruder auf deren Gut. Da die Mutter bei seiner Geburt verstorben ist und der Vater ihm dafür die Schuld gibt, hat er bei ihm keinen besonders guten Stand. Erst recht nicht, als er sich in die Tochter eines der Pächter verliebt. Erik wird in die Fremde geschickt bis er volljährig ist, doch die beiden Liebenden finden erneut zueinander und wollen heiraten, die Hochzeitsnacht endet jedoch in einem Blutbad. Erik weiß nicht, was geschehen ist, hat er seine frisch Angetraute wirklich umgebracht? …  

„1793“ hat mich begeistert, als ich es gelesen hab und so habe ich die Fortsetzung natürlich gleich nach Erscheinen gekauft, dann dümpelte sie allerdings erstmal im Regal vor sich hin, schon allein, weil mich so dicke Klopper doch zuerst einmal abschrecken. Lesen wollte ich „1794“ natürlich trotzdem, so fand es den Weg auf meine „21 für 2021“ Liste und war endlich fällig. Mir war eigentlich vorher fast schon klar, dass es mich erneut fesseln wird, aber ich brauchte halt wieder viel Anlaufzeit, ich lerne es halt nie.^^
Diesmal lässt sich Niklas Natt och Dag sehr viel Zeit, bevor es zum Wiedersehen mit Jean Michael Cardell kommt, denn die ersten 145 Seiten gehören Erik, der zwar aus gutem Hause kommt, aber es dennoch alles andere als leicht hat. Bereits hier schafft es der Autor wieder, an die düstere und trostlose Stimmung des Vorgängers anzuknüpfen und man kommt nicht umhin, einfach Mitleid mit Erik zu haben, der kein Problem damit hat, ein einfaches Leben zu führen, aber bereits in jungen Jahren so viel Grausames sehen und erleben muss.
Doch auch Cardell, dem traumatisierten Kriegsveteran mit der Holzhand, ist es inzwischen nicht gut ergangen und als eine Frau bei ihm auftaucht und ihn darum bittet, Nachforschungen über den Tod ihrer Tochter anzustellen, reagiert er zunächst eher verhalten, willigt schließlich aber doch ein, allerdings nicht, ohne sich vorher Hilfe von einer ganz besonderen Seite zu suchen.
Jean Michael ist ein Klotz, ein ziemlich ungehobelter Kerl mit einem Herz aus Gold und so hat er sich bereits in „1793“ in mein Herz gestohlen. Das Leben in Stockholm ist hart und brutal und er hat sich dem angepasst, aber immer wieder schimmert eben auch seine andere Seite durch, so ist unter anderem sehr fürsorglich. Wen er sich diesmal als Partner sucht, schreibe ich hier natürlich nicht, aber irgendwie fand ich das und den damit verbundenen Ausflug in die Vergangenheit schon ein bisschen rührend. Verraten kann ich aber zumindest, dass die beiden Ermittler auch diesmal wieder total gegensätzlich sind und ich ab und an einfach nur mit dem Kopf geschüttelt habe, denn nicht immer machen ihre Handlungen auf den ersten Blick Sinn.
Einen Pluspunkt gibt es außerdem dafür, dass Charaktere aus dem ersten Teil wieder auftauchen und man so erfährt, was aus ihnen geworden ist, für so etwas bin ich persönlich ja immer zu haben.
Alles in allem bietet „1794“ einen Ausflug in die Geschichte, der erneut zeigt, wie schwer es die Menschen zur damaligen Zeit hatten, wie brutal und unmenschlich vorgegangen wurde und das ein Leben nicht besonders viel wert war. Das wird ziemlich deutlich und teilweise auch sehr grausam beschrieben, allerdings schwingt der Autor auch in diesen Szenen nie stumpf den Gewalthammer.
Auch wenn mir „1793“ noch einen Ticken besser gefallen hat, so ist auch „1794“ wieder ein Buch, dass einen völlig ins Geschehen eintauchen lässt. Ich hatte Stockholm förmlich vor Augen, habe den Gestank eingeatmet und die Menschen an mir vorbeihuschen sehen. So spannend der Ausflug ins Schweden des 18. Jahrhunderts auch war, ich bin verdammt froh, nicht in diese Zeit hineingeboren worden zu sein.^^

Mit „1794“ hat Niklas Natt och Dag eine gelungene Fortsetzung abgeliefert, in der sich erneut zwei völlig verschiedene Männer zusammenraufen, um in einem Mordfall zu ermitteln. Das Buch ist genauso düster und dreckig wie der Vorgänger, wer einen empfindlichen Magen hat oder „Entspannungsliteratur“ sucht, ist hier völlig fehl am Platz.
Mich jedenfalls hat die Geschichte von Anfang an gepackt und so vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen.

1. „1793“
2. „1794“

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