„Die Unterwelt“ – S. C. Mendes

“ … »So was kommt vor.« Ihre Stimme war kühl und sachlich: ein Tonfall, der einem Erwachsenen hätte gehören sollen, stattdessen aber von einem Mädchen kam, das seiner Kindheit beraubt worden war. Hätten sie nicht gerade über sein eigen Fleisch und Blut gesprochen, dann hätte Max ihre Direktheit zu schätzen gewusst. Ihre Fähigkeit, sich zu distanzieren. …“ (Seite 150)

San Francisco, 1910: Max Elliot war einst der beste Mordermittler der Polizei. Nachdem seine Frau brutal getötet und seine kleine Tochter entführt wurde, gleitet er immer weiter in den Wahnsinn und gibt sich Alkohol und Drogen hin.
Bis einige Monate später mehrere zerstückelte Leichen gefunden werden, darunter auch Kinder …
Kurz darauf stößt der Ermittler auf eine unglaubliche Fährte: Eine Stadt, die buchstäblich unter der kalifornischen Metropole liegt. Eine Stadt, in der man für Geld alles bekommt und in der Laster und Perversion das große Geschäft sind …
Max Elliot begibt sich tief hinab in die Unterwelt und sticht in ein Wespennest, dessen Ausmaße jede bisherige Vorstellung der Realität zerstören. 

Seit dem Mord an seiner Frau und der Entführung seiner Tochter weiß der Polizist Max Elliot mit seinem Leben nichts mehr anzufangen, doch dann wird er zu einer Mordermittlung hinzugezogen und hört von den geheimnisvollen Mara, Wesen, seltsamen Wesen, die unter der Stadt leben und für die Morde verantwortlich sein sollen. Zuerst gibt er nicht viel ausf das Gerede, entschließt sich dann aber doch, in deren Welt hinabzusteigen. 

Die Frau brutal ermordet, die Tochter entführt, Max einziger Sinn im Leben sind Drogen und Alkohol. Bis ein Kollege um seiner Mithilfe bei einem Mordfall bittet, das Opfer ist genauso gestorben wie seine Frau. Ein „Informant“ bringt den Polizisten schließlich auf die Spur der Mara, die für die grauenvollen Morde verantwortlich sein sollen. Die menschenähnlichen Wesen sollen in einer Stadt unter San Francisco leben und genau in die macht sich Max, noch ziemlich skeptisch, auf den Weg um seine vermisste Tochter zu suchen. Dort trifft er auf Ming, eine Teenagerin, die sich ihren Unterhalt als Fremdenführerin verdient und die Leite von der Oberfläche durch die Unterwelt führt, in der Brutalität und Gewalt regiert.
Was beim Lesen des Klappentextes nach einem bekannten Plot klingt, entpuppt sich beim Lesen für mich als echter Pageturner. Ein abgewrackter süchtiger Ermittler ist jetzt nichts Neues, irgendwelche Kreaturen, die im Hintergrund die Fäden ziehen, auch nicht und trotzfdem hat S. C. Mendes mit „Die Unterwelt“ eine faszinierende Geschichte geschaffen, die vor allem durch ihre fremdartige und doch irgendwie bekannte Umgebung überzeugt. Immer wieder fühlte ich mich, als würde ich mit Max, der übrigens auch nicht der Held in strahlender Rüstung ist, durch die Straßen ziehen oder selbst Augenzeuge der Brutalitäten werden, die dort unten im Verborgenen an der Tageordnung sind. Dort leben? Nein, um Himmels willen, für einen kurzen Besuch vorbeizukommen ist allerdings schon irgendwie verlockend. Einmal hinter den Vorhang schauen, einen kurzen Blick hinter die – hier in diesem Fall sehr blutigen – Kulissen werfen.
Mindestrens genauso interessant ist es, die Entwicklung von Max zu verfolgen. Dreht sich zu Beginn alles in seinem Leben um Alkohol und Drogen, so entwickelt er ausgerechnet in der Unterwelt, in der diese beiden Dinge scheinbar überall zu haben sind, wieder Gefühle für seine Mitmenschen, nach einigen traumatischen Ereignissen erwacht sein Beschützerinstinkt für die junge Ming. Dass ihn das angreifbar macht, ist schnell klar, man weiß wie der Hase läuft und hangelt sich trotzdem gebannt von Seite zu Seite. Ja, Max ist eine widersprüchliche Figur, aber gerade das macht den Reiz aus. Er wirkt kalt, unnahbar, verschwiegen, ganz im Gegensatz zu seiner „Fremdenführerin“, die man sofort ins Herz schließt.
„Die Unterwelt“ ist als limitierte und signierte Sammlerausgabe im Festa Verlag erschienen und enthält Illustrationen des deutschen Malers und Autors Michael Hutter. Die ganzseitigen Zeichnungen sind düster, ja, verstörend und passen genau deshalb perfekt zur Story.
Mit „The Order of Eternal Sleep“ gibt es inzwischen eine Fortsetzung, die 3 Jahre nach den Geschehnissen von „Die Unterwelt“ spielt. Ich hoffe, dass auch das Sequel hier bei uns veröffentlicht wird, gerade, weil der Vorgänger ein recht offenes Ende hat und so einige Fragen offen bleiben.

Tja, was soll ich sagen. „Die Unterwelt“ wollte ich schon ewig lesen, hab das Buch aber immer wieder zurück ins Regal gestellt. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht, weil der Klappentext mich nicht vom Hocker gehauen hat. Ein großer Fehler, aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Die Mischung aus Roman Noir und blutigem Horror funktioniert hier wunderbar und sollte einem von euch ein Exemplar der vergriffenen Ausgabe in die Hände fallen, greift unbedingt zu, ihr werdet es nicht bereuen. Von mir gibt es 4,5 von 5 Miezekatzen und eine fette Leseempfehlung für Max und Ming.

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