“ … Vielleicht bin ich das Mädchen damalls in der Psychiatrie. Es kommt mir immer so vor, als wäre ich aus meinem Körper getreten und würde von außen beobachten, was mir geschiet. Nur glaube ich nicht, dass jemand so was Schreckliches mit mir angestellt hat. …“
„Du wirst das nicht überleben.“ Miriam flüchtete als Jugendliche in den Spreewald, um dort die Dämonen ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch Jahre später suchen sie Albträume und Flashbacks heim. Sie sieht immer das Gleiche – ein kleines Mädchen in einem Krankenzimmer. Um die Wahrheit über ihren Psychiatrieaufenthalt als Fünfjährige zu erfahren, kehrt sie nach Koblenz zurück. Dort scheint niemand begeistert über ihre Rückkehr zu sein. Das abweisende Verhalten ihrer Freunde und bedrohliche Geschehnisse machen deutlich, dass ihr Umfeld weit mehr als eine einfache Krankheit verbirgt. Je tiefer sie gräbt, desto mehr verstrickt sich Miriam in ein gefährliches Netz aus Geheimnissen. Sie weiß nicht, wem sie noch trauen kann. Was geschah in dem ominösen Krankenzimmer? Und wer ist das Mädchen, das ihr erscheint? Die Wahrheit darf nicht ans Licht kommen, denn sie ist tödlich.
Nach einer OP träumt Miriam immer wieder von einem kleinen Mädchen in einem weißen Kleid, das mit Gurten an ein Bett gefesselt ist. Sie vermutet, dass es sich um verdrängte Erinnerungen handelt, denn als Kind hatte sie psychischen Probleme, kann sich daran jedoch nicht daran erinnern. Um endlich Antworten zu bekommen, kehrt sie in ihre alte Heimat zurück um ihre Eltern zu besuchen und sticht damit in ein Wespennest.
Eigentlich ist eine Blinddarm OP ein Klacks, doch bei Miriam kommt es zu Komplikationen und nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wird sie immer wieder von einem Albtraum gequält. Ein kleines Mädchen ist an ein Bett gefesselt und bittet sie um Hilfe. Miriam glaubt, dass es sich um Kindheitserinnerungen handelt, denn als Kind war sie selbst Patientin in der Psychatrie, hat das Ganze jedoch verdrängt. Und so kehrt sie in ihre Heimatstadt zurück, die sie vor Jahren fluchtartig verlassen hat, um bei ihren Eltern nach Antworten zu suchen. Ihr Halbbruder Sebastian behandelt sie nach wie vor von oben herab, doch auch ihre alten Freunde verhalten sich merkwürdig. Und sie alle arbeiten in derselben Klinik wie ihr Vater und Sebastian.
„So laut das Schweigen“ ist das erste Buch von Andrea Reinhardt, dass ohne Ermittler auskommt. Diese Rolle übernimmt hier Miriam, die zusammen mit ihrer Freundin eine Marketingagentur leidet und deren Unterbewußtsein ihr scheinbar etwas mitzuteilen versucht. Und was tut man, wenn es Gedächtnislücken ìn den Kindheitserinnerungen gibt? Richtig, man wendet sich an die Eltern. Doch mit der Rückkehr in ihr Elternhaus setzt die junge Frau eine Spirale in Bewegung, die sich nicht mehr anhalten lässt. Schon bald ist klar, hier wird ein ganz übles Spiel gespielt, aber wer sind die Guten, wer die Bösen? Auf sein Gefühl sollte man sich nicht verlassen, denn die Autorin schafft es immer wieder, ihre Leser aufs Glatteis zu locken. Auch hier ahnt man zwar irgendwann in groben Zügen in welche Richtung es geht, aber das ist nur der Anfang.
Die Figuren sind sehr gut gezeichnet, gerade in Miriam konnte ich mich sehr gut hinerinversetzen. Eigentlich will sie nur ihre Gedächtnislücken füllen und wer kann ihr das schon verübeln? So einige, wie sich zeigt … Während Miriam die Sympathieträgerin der Geschichte ist, möchte man ihrem großkotzigen und herablassenden Stiefbruder am liebsten persönlich den Hals umdrehen, denn er ist das perfekte Arschloch. Aber ist er deswegen auch der Bösewicht oder kommt die Bedrohung aus einer ganz anderen Ecke? Andrea Reinhardt hält die Spannung in ihrem neuesten Buch konsquent aufrecht, man kann es nicht aus der Hand legen, bevor man die Antwort auf diese Frage bekommen hat. Doch die ist unschön und tut weh. Außerdem ist der hier geschilderte Fall gar nicht mal so abwegig und leider immer aktuell, geht es um Geld und Profit, ist ein Menschenleben nicht viel wert. Erschreckend, wenn das Ganze auf dem Rücken der Wehrlosen ausgetragen wird, ich musste einige Male wirklich schlucken, mein kleines schwarzes Herzchen ist also noch nicht komplett versteinert.
Die Thriller von Andrea Reinhardt haben mich bisher noch nie enttäuscht, auch, weil sie sich immer wieder kontroversen Themen zuwendet und ich die Handlungen ihrer Figuren nachvollziehen kann, denn es gibt fast nichts schlimmeres als einen Charakter, der mich mit seinen sinnfreien Taten in den Wahnsinn treibt.
„So laut das Schweigen“ zeigt auf sehr eindringliche Art und Weise, wie kaltschnäuzig manche Menschen ihre Ziele verfolgen und auch wenn hier kaum Blut fließt, ist diese Story doch der absolute Horror und mir 4 von 5 Miezekatzen wert.