„Sternwanderer“ – Neil Gaiman

“ … Im Sternbild des Orion, tief am östlichen Horizont, blitzte ein Stern, funkelte und fiel.
»Für einen Kuß und das Versprechen deiner Hand«, verkündete Tristran, »würde ich dir diesen Stern bringen.« … »Dann tu das«, sagte Victoria. »Und wenn du’s tust, dann willige ich ein.« … “ (Seite 50)

Das kleine Dörfchen Wall hat eine ganz besondere Attraktion: eine unscheinbare Mauer, die durch das Land verläuft und in der sich eine Pforte in die Welt der Feen befindet. Durch diese Pforte tritt der junge Tristran, um seiner Angebeteten Victoria einen vom Himmel gefallenen Stern zu bringen. Doch bald schon muss er feststellen, dass er ist nicht der Einzige ist, der es auf diesen Stern abgesehen hat.

Das Herz von Tristran schlägt für die schöne Victoria, seine Liebesschwüre stoßen bei ihr allerdings auf taube Ohren. Bis er verspricht, ihr den soeben vom Himmel gefallenen Stern zu holen. Um endlich Ruhe zu haben, akzeptiert sie sein Angebot und so macht sich Tristran auf eine Reise, die ihn ins benachbarte Feenreich führt. Und er ist nicht der Einzige, der sich auf die Suche nach dem abgestürten Himmelskörper begibt, der, wie sich herausstellt, nicht etwa aus leblosem Gestein besteht, sondern eine zarte blasse Frau ist. 

Durch Wall führt eine alte Steinmauer, die das Dörfchen von einer magischen Welt trennt. Alle 9 Jahre findet ein Markt statt, auf dem sich Besucher von beiden Seiten tummeln und genau dort erlebt der Dunstan seine erste Liebesnacht. Diese bleibt jedoch nicht ohne Folgen, nach 9 Monaten findet man ein Baby an der Mauer. Dunstan zieht den Jungen, den er Tristran nennt, zusammen mit seiner Frau groß. 17 Jahre später wandelt auch Tristran auf Freiersfüßen, Ziel seiner Begierde ist die überaus beliebte Victoria, die allerdings nicht viel für ihn übrig hat. Um ihr seine Liebe zu beweisen, will er ihr einen vom Himmel gefallenen Stern von der anderen Seite der Mauer bringen, nicht ahnend, worauf er sich damit einlässt.
Neil Gaiman ist momentan für viele ein rotes Tuch, was ich durchaus nachvollziehen kann. Den Elefanten im Raum ignoriere ich also ganz bewusst, hier soll es einzig und allein um seine Bücher gehen. Die kann man natürlich boykottieren, aber dann entgehen einem wirklich zauberhafte Geschichten, so wie „Sternwanderer“. Ich habe mich also trotz allem mit Tristan, einem etwas naiven Jüngling, der meint, er könne sich mit einem Geschenk die Zuneigung seiner Herzdame erkaufen, auf den Weg gemacht. Dass das magische Reich Stormhold weit mehr zu bieten hat als friedliche Marktbesucher muss Tristran schon bald feststellen, Giftmorde und in Ziegen verwandelte Männer sind da noch relativ harmlos. Oder anders gesagt, in Stormhold geht es ziemlich brutal zu. Nicht nur, dass die 3 verbliebenen Söhne des verstorbenen Königs einen Privatkrieg um dessen Nachfolge führen, es wimmelt außerdem von Hexen, Piraten und ähnlich unfreundlichen Zeitgenossen, was das Buch eher zu einem Märchen für Erwachsene macht, denn einige der Ereignisse können Kinder durchaus verstören. So zauberhaft Gaimans Bücher sind, haben sie doch immer auch diesen finsteren Touch, den ich persönlich sehr mag. Bei der Verfilmung hat man diese Szenen übrigens gestrichen, um eine niedrige Altersfreigabe zu bekommen, habe ich mir sagen lassen. Schon allein deswegen muss ich mir den Film demnächst unbedingt mal ansehen, denn bisher ist er komplett an mir vorbeigegangen.
Doch natürlich dreht sich die Geschichte nicht nur um Tristran, denn da ist ja auch noch jener Stern, mit dem er nach Hause zurückkehren will und der entpuppt sich als feengleiches Wesen namens Ivaine. Diese junge Dame findet es nicht sonderlich verlockend als Geschenk betrachtet und in die Menschenwelt verbracht zu werden, ihre Beziehung steht also unter keinem guten Stern. Man möge mir das Wortspiel verzeihen.^^
„Sternenwanderer“ ist eine tolle Fantasy-Geschichte im Märchengewand, die liebevoll erzählt wird. Dennoch bin ich der Meinung, das ihr ein paar Seiten mehr gutgetan hätten, denn einige relevante Dinge werden eher nebenbei abgehandelt, was ich sehr schade finde. Alles in allem ein typisches Gaiman Werk, aber nicht sein bestes.
PS: Nur falls sich wer wundert, ich habe noch die alte Heyne Taschenbuchausgabe, inzwischen sind die Rechte zum Eichborn Verlag gewandert.

Wer „Niemalsland“ mochte, wird auch an „Sternwanderer“ seine helle Freude haben. Tristran und Ivaine schließt man sofort ins Herz und verabscheut die Hexenkönigin, allein schon wegen der Sache mit …, ach, lest es einfach selbst. Ich vergebe 4 von 5 Miezekatzen und werde mir in den nächsten Tagen den Film anschauen, damit ich einen Vergleich habe, schon allein, weil so viele sagen, hier ist der Film tatsächlich besser als das Buch.

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