„Frag nach Andrea“ – Noelle W. Ihli

“ … »Hast du ein Date, das nicht so gut läuft? Fühlst du dich unwohl oder sogar in Gefahr? Frag an der Bar nach Andrea. Wir sorgen Dafür, dass du sicher nach Hause kommst.« Ich lächelte, während ich mir die Hände abtrocknete, dankbar, dass ich nicht nach Andrea fragen musste. Nicht heute Abend. Nicht mit ihm. …“ (Seite 9)

Meghan, Brecia und Skye haben nur eines gemeinsam: Alle drei starben durch denselben Mann.
Online machte er Jagd auf sie und spielte dabei den perfekten Gentleman. Sein strahlendes Lächeln verbarg die Tatsache, dass seine Dates verbuddelt in der Erde enden.
Und er wird weitermachen.
Die Einzigen, die ihn aufhalten könnten, sind seine Opfer. Meghan, Brecia und Skye mögen tot sein, aber sie sind nicht verschwunden.
Ihre Geister werden einen Weg finden, um ihren Mörder aufzuhalten.
Der Spuk hat begonnen.

Jimmy ist ein hübscher Kerl, verheiratet, hat eine kleine Tochter und ein etwas ausgefallenes Hobby: Über eine App verabredet er sich mit jungen Frauen, die er betäubt und dann an abgelegenen Orten umbringt. Auch Brecia, Meghan und Skye sind auf den Schönling hereingefallen und mussten das mit ihrem Leben bezahlen, nun hängen ihre Geister auf der Erde fest. Die Frauen können einfach nicht loslassen, Jimmy muss für seine Taten bezahlen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn anders als erwartet, haben sie keine besonderen Fähigkeiten, die dabei helfen, ihn aufzuhalten.

Als Meghan Jimmy über eine Dateing- App kennenlernt, hält sie ihn für die Nadel im Heuhaufen. Ein wenig Angst vor dem ersten Treffen hat sie dennoch, was, wenn der fesche Chris Hemsworth Verschnitt im wahren Leben eher ein Mr. Bean? Doch die Sorge ist unbegründet, ihre Verabredung sieht aus wie der Typ auf seinem Profilbild und er ist charmant. Als sie im Waschraum ein Schild entdeckt, auf dem steht, dass man an der Bar nach Andrea fragen soll wenn man sich bei seinem Date unwohl fühlt, ist sie froh, dass sie sich über solche Dinge keine Gedanken machen muss. Bis sie auf dem Sitz eines Autos zu sich kommt, einen Schal um den Hals, während Jimmy sich über sie beugt und gar nicht mehr wie der nette Typ aussieht, mit dem sie gerade noch geflirtet hat. Es  gelingt ihr zu fliehen, doch während sie vor ihrem Date davonläuft, muss sie feststellen, dass sie nicht mehr atmet, Meghan ist tot. Für sie ist es ein Schock, vor ihrer eigenen Leiche zu stehen, dabei zuzusehen, wie ihr Körper Tag für Tag mehr verfällt und von Tieren angenagt wird. Die Chance, dass jemand zufällig auf ihre Leiche stößt, sind gering, denn Jimmy hat sich eine abgelegene Stelle für seinen Mord gesucht. Doch Meghan war nicht sein erstes Opfer und sie wird auch nicht das letzte sein.
Ich mag ja Geistergeschichten, aber ich muss zugeben, so wirklich überzeugt hat mich der Klappentext von „Frag nach Andrea“ nicht, trotzdem war ich neugierig, wie die Geister der drei Frauen wohl ihrem Peiniger zusetzen. Aber eigentlich geht es gar nicht darum, vielmehr stehen die Schicksale von Brecia, Meghan und Skye im Mittelpunkt. Sie alle sind Opfer desselben Mannes und Blicken nach dem tödlichen Übergriff auf ihre Leichen herab, müssen erstmal verarbeiten, was überhaupt geschehen ist. Das tun sie zwar auf ganz unterschiedliche Weise, aber bei allen drei bekam ich eine Gänsehaut. Allein der Gedanke daran, plötzlich vor seinem toten Körper zu stehen …
Drei junge Frauen, die auf ihr Leben zurückblicken und dem, was hätte sein können hinterhertrauern, die sauer sind und andere vor demselben Schicksal bewahren wollen, aber nichts tun können. Das macht betroffen. Und verdammt sauer wenn man liest, wie der Täter sein Leben weiterlebt als wäre nichts passiert.
Mit Brecia, Meghan und Skye hat Noelle W. Ihli drei ganz unterschiedliche Protagonistinnen erschaffen, die so verschieden sind und die trotzdem viel verbindet, allem voran natürlich, dass sie sich auf denselben Mann eingelassen haben, den falschen. Abwechselnd lässt die Autorin ihre Hauptfiguren über die Gegenwart und ihre Vergangenheit erzählen, über ihre Wünsche und obwohl das Ganze sehr berührend ist, gleitet es in keinem Moment ins Kitschige ab. Stattdessen bekomme ich einen sehr ungewöhnlichen Thriller geboten, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt und mich selbst einige Dinge hinterfragen lässt. Nehmen wir vielleicht zu viel als gegeben hin? Sollten wir nicht mehr auf unsere Familien und Freunde eingehen, ihnen zeigen, dass sie uns etwas bedeuten? Ein bisschen erinnert die Story an den Film „In meinem Himmel“, wer den mochte, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.
Auch hier bei uns gibt es übrigens einen „Geheimcode“ für bedrängte Frauen in Clubs, Bars oder bei Großveranstaltungen. allerdings fragen wir nicht nach Andrea, sondern „Ist Louisa hier?“

Ich vergebe selten 5 von 5 Miezekatzen, aber „Ask for Andrea“ war für mich eines meiner Jahreshighlights und hat diese Bewertung definitiv verdient. Berührend ohne kitschig zu sein und spannend bis zur letzten Seite, genau so stelle ich mir einen Thriller vor. Da Noelle W. Ihli inzwischen einige Bücher veröffentlicht hat, hoffe ich natürlich, dass uns der Festa Verlag auch damit beglückt.

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