„Zornesblind“ – Martin Krist

“ … Er wollte nicht weiter in den stickigen Kanal kriechen, nicht noch tiefer in die Finsternis und den Gestank – modrig, feuchtkalt, voller Sporen unsichtbarer Pilze, die lautlos in den lichtlosen Passagen und Höhlungen schwollen und platzten. Es gab angenehmere Plätze, selbst hier unten.
Doch es gab kein Zurück, er musste weg von hier und zwar sofort. Am besten nach oben, ans Tageslicht, auch wenn er schon lange nicht mehr dort gewesen war. …“

DÜSTER. SPANNEND. ERBARMUNGSLOS.
Kommissar Kalkbrenner wird zu einer übel zugerichteten Frauenleiche in der U-Bahnstation Potsdamer Platz gerufen. Was nach einem Milieumord ausschaut, entpuppt sich schon bald als Auftakt einer grausigen Mordserie. Kalkbrenner und seinem Team wird klar: In den alten Bunkern und U-Bahn-Tunneln unter Berlin lauert ein mörderisches Geheimnis! Der erste Fall für Kommissar Kalkbrenner.

Paul Kalkbrenner steht kurz vor seiner Scheidung, das Verhältnis zu seiner Tochter ist nicht gerade das Beste, außerdem steht der Umweltgipfel an. Berlin will sich von der besten Seite zeigen, immerhin werden viele Staatsgäste erwartet. Polizisten werden abgestellt, um Ausschreitungen zu vermeiden und mitten in dem ganzen Trubel taucht die Leiche eines Obdachlosen aus, der mit einer Eisenstange zu Tode geprügelt wurde. 
Zur gleichen Zeit wird Leif zu 60 Sozialstunden bei einem Verein für Obdachlose verurteilt. Sein neuer „Job“ führt ihn in die Unterwelt von Berlin und schon bald steckt er in Schwierigkeiten.

Nach „Lerne zu leiden“ habe ich mit Entsetzen festgestellt, dass ich tatsächlich noch ein paar ungelesene Bücher von Martin Krist auf meinem SUB habe und so bin ich bei „“Zornesblind“ gelandet. Um es gleich mal vorweg zu nehmen, diesmal hat mich das Buch nicht so richtig gefesselt, obwohl ich die Story an sich gut fand. An sich finde ich es toll, wenn ich beim Lesen auf Musiktitel stoße, aber schon bei „Lerne zu leiden“ war es mir ein bisschen zu viel des Guten, dass fast immer erwähnt wird, welcher Song gerade im Radio oder sonst wo läuft, auch hier ist das wieder der Fall. In den Büchern, die ich vorher gelesen habe, ist mir das nie so aufgefallen.  Außerdem kommt mir Paul Kalkbrenner dafür, dass es der erste Teil „seiner“ Reihe ist, etwas zu kurz und auch den ständigen Perspektivenwechsel fand ich diesmal etwas anstrengend.
So, nun aber genug gemeckert, denn wäre das alles gewesen, hätte ich das Buch zur Seite gelegt.
Doch der Autor widmet sich einem Thema, bei dem wir alle gern mal wegsehen, Obdachlosen, die in den Tunneln unter Berlin hausen, anders kann man das nicht nennen. Wie reagieren wir auf solche Menschen? Wir ignorieren sie oder wechseln gar die Straßenseite, wenn wir an ihnen vorbeikommen. Gebrochene Menschen, die sich selbst aufgegeben haben und auch von der Gesellschaft im Stich gelassen wurden. Doch da schwebt noch ein weiteres Thema über der Story, der Umweltgipfel in Berlin. Politiker und Polizei sind darauf bedacht, dass alles ohne Zwischenfälle über die Bühne geht und ausgerechnet da taucht eine brutal zugerichtete Leiche auf. Der Fall darf kein Aufsehen erregen, das gibt schlechte Publicity und wieder einmal merkt man, dass der schöne Schein über Menschenleben steht, wen interessiert schon ein zu Tode geprügelter Obdachloser?
Auch wenn mir keiner der Charaktere wirklich sympathisch war, so versteht es Martin Krist erneut, die Figuren zum Leben zu erwecken, sei es Kalkbrenner, seine Tochter Jessy, Leif oder der grummelige Reporter Sackowitz, den ich übrigens von allen noch am meisten mochte, zu jedem von ihnen hatte ich sofort ein Bild im Kopf.

Für mich ist „Zornesblind“ nicht unbedingt Martin Krists bestes Buch, ein paar Charaktere weniger wären mir lieber gewesen und auch das Cover mit dem Teddy erweckt in meinen Augen vollkommen falsche Erwartungen, die Geschichte an sich hat mich trotzdem gefesselt, allerdings mit ein paar kleinen Abstrichen, auf die ich oben ja schon eingegangen bin und so bleiben am Ende 3,5 von 5 Miezekatzen für Kalkbrenner und Sackowitz.

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