„Crossroads“ – Marco Theiss

“ … Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, aber zuletzt hatte er die Klinge des scharfen Küchenmessers mit Kraft in das Fleisch seines kleinen Fingers getrieben. Mühelos schnitt es durch die Knochen. Es ging viel einfacher, als Jack erwartet hatte.  Das Adrenalin wirkte einige Sekunden lang wahre Wunder.
Dann kam der Schmerz. Und der war seitdem nicht mehr vergangen. …“

Der alternde Gitarrist Jake Smith spielt für eine Handvoll Gäste in den kleinsten Käffern und miesesten Bars des Südens der USA. Niemand ahnt, dass sich hinter dem kauzigen Eigenbrötler in Wahrheit Jack Crowley verbirgt, einer der berühmtesten Rock-Gitarristen seiner Generation. Niemand außer dem Mann, der seine Tochter entführt hat und der ihm eine grausame Aufgabe stellt. Wenn Crowley sie lebend wiedersehen will, muss er sich jeden Abend, bevor er die Bühne betritt, einen Finger abschneiden.

Doch wer ist der geheimnisvolle Entführer? Was will er? Hat Jack Crowley etwa einst wirklich seine Seele an den Teufel verkauft und nun ist es an der Zeit, die Rechnung zu bezahlen?

Eine Melodie, die ihm plötzlich im Kopf herumspukt, verändert Jack Crowleys leben, er und seine Band werden über Nacht berühmt. Jetzt, ein paar Jahrzehnte später, ist Jack ein Wrack, tingelt unter falschem Namen durch heruntergekommene Clubs, immer begleitet von seinem einzigen treuen Freund, der Schnapsflasche. Niemand erkennt in ihm den einstmals gefeierten Gitarristen und doch gibt es da draußen jemanden, der ihn leiden sehen will und den einzigen Menschen entführt hat, der Jack noch etwas bedeutet, seine Tochter. Um die zu retten, muss Crowley nach seiner Pfeife tanzen und das erweist sich als sehr schmerzhaft.

Mit Dämonen und Kreuzungen oder Weggabelungen ist das so eine Sache. Es gibt viele Geschichten darüber, die am Ende aber alle eines gemeinsam haben, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen, schließt man einen Pakt mit einem Dämon, der dafür natürlich einen Preis verlangt. Als alter „Supernatural“ Fan kenne ich mich damit natürlich aus.^^ Vielen Musikern mit  außergewöhnlichen Fähigkeiten wird solch ein Pakt nachgesagt und es aufs ständige Üben zu schieben, wäre ja auch langweilig und nicht halb so spannend.
Jack und seine kleine Garagenband scheint wie für diesen Mythos gemacht. Von jetzt auf gleich fällt ihm als Gitarrist eine eingängige Melodie ein und prompt hat auch der Sänger einen Geistesblitz und schreibt mal eben den dazu passenden Text. Natürlich sind da finstere Mächte am Werk und trotz ihres Erfolges bekommt die Band das auch zu spüren. Doch in „Crossroads“ geht es nur um Jack, auch wenn man im Laufe der Geschichte mehr über seine ehemaligen Bandmitglieder erfährt. Der einstige Frauenschwarm hat sein Leben komplett gegen die Wand gefahren, ist kein besonders umgänglicher Zeitgenosse, nicht verlässlich und trotzdem schließt man ihn sofort ins Herz. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass jeder, der ein bisschen auf einer Gitarre herumklimpern kann, bei mir schon mal nen Stein im Brett hat. Er kennt seine Fehler und versucht zumindest sich zu ändern, auch wenn es meist beim Versuch bleibt. Trotzdem kann man ihm einfach nicht böse sein, denn irgendwie sind wie alle doch ein bisschen wie er, irgendwo an einer Kreuzung falsch abgebogen, nun müssen wir schauen, was wir daraus machen und uns durchs Leben schlagen, die meisten allerdings ohne Gitarre.
Ich habe von „Crossroads“ nicht viel erwartet, der Klappentext hat mich angesprochen, eben weil ich sofort an Kreuzungsdämonen denken musste. Und ja, im Buch geht es auch um diese eine Nacht, aber eher am Rande. Ich fand es auch viel interessanter in Rückblicken mehr über Jack zu erfahren, mich in seinem Kopf einzunisten und so seine kleine, etwas ungewöhnliche und schmerzhafte Club-Tour mitzuverfolgen. Marco Theis haucht seinen Figuren Leben ein, man sieht sie förmlich vor sich und es ist dabei völlig egal, ob sie den Leser nur ein paar Seiten begleiten, so wie Jacks alterndes Groupie oder eben bis zum bitteren Ende. Der Spannungsbogen bleibt das ganze Buch über konstant, die Schreibweise ist mitreißend, man möchte das Buch am liebsten gar nicht aus der Hand legen. Wenn man ein wenig Zeit mitbringt, ist das bei 259 Seiten auch gar nicht nötig, ich habe es an einem Abend auf der Couch durchgesuchtet. 

„Crossroads“ war nicht, was ich erwartet habe und das meine ich hier durchaus positiv. Die Geschichte um denn alternden Gitarristen, der versucht seine Tochter zu retten, hat mich von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen und ich habe mit Jack gelitten und ab und an sogar einen leichten Phantomschmerz verspürt. Dafür vergebe ich 4,5 von 5 Sternen und kann euch das Werk nur wärmstens ans Herz legen.
Lest es, sonst werde auch ich mir irgendwo im Nirgendwo eine Kreuzung suchen …^^

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