„Das Schmetterlingsmädchen“ – Rene Denfeld

“ … Wenn Celia ihre Schwestern oder sonst jemanden zeichnete, den sie liebte, fügte sie Schmetterlinge hinzu: über die beiden Schultern verteilt, sich aus ihren Brauen erhebend. Selbst der winzige Punkt in jedem Auge wurde zu einem der kostbaren Tiere.  Auf diese Weise waren die Schmetterlinge auch die Menschen, die sie liebte, und die Menschen, die sie liebte, waren frei. …“ (Seite 130)

Vor 20 Jahren verschwand ihre Schwester. Naomi selbst hat kaum Erinnerungen an dieses Ereignis – und doch will die »Kinderfinderin« die Spur aufnehmen.
Die Suche führt sie direkt in die Dunkelheit von Portland in Oregon, wo mehr Kinder auf der Straße leben als im Rest des Landes. Und immer wieder findet man die Leichen junger Mädchen im Fluss …
Dort trifft Naomi auf Celia, ein zwölfjähriges Mädchen, das vor ihren Eltern geflohen ist. Der Vater missbrauchte sie, die Mutter ist suchtkrank. Ceilas einzige Hoffnung sind die Schmetterlinge. Sie sieht sie überall um sich herum – ihre schillernden Beschützer und Führer auf den trostlosen Straßen.

Poetisch, fesselnd und bittersüß. Rene Denfeld schickt Naomi, die Ermittlerin mit der unheimlichen Fähigkeit vermisste Kinder zu finden, ein weiteres Mal auf eine emotionale Suche.

Vor über 20 Jahren wurden zwei kleine Mädchen entführt. Während Naomi die Flucht gelang und sie bei einer Pflegemutter groß wurde, fehlt von ihrer jüngeren Schwester bis heute jede Spur. Naomi fühlt sich schuldig und hat es sich zur Aufgabe gemacht, vermisste Kinder zu finden, keiner ist darin so gut wie sie. Doch die Suche nach ihrer Schwester gestaltet sich schwierig, auch, als sie eine Spur nach Portland führt. Dort hört sie sich auch bei den Obdachlosen auf der Straße  um und trifft dabei auf Celia, mit der sie viel verbindet. Denn obwohl beide Frauen die Welt von ihrer dunkelsten Seite kennen, leben sie weiter, Tag für Tag.



Manche Bücher sind einfach harter Tobak, auch wenn sie wunderschön poetisch geschrieben sind und um Gewaltbeschreibungen einen großen Bogen machen. Schon „Das Schneemädchen“ fiel für mich in diese Kategorie. Diesmal musste ich jedoch noch ein bisschen mehr schlucken, denn Rene Denfeld setzt sich in „Das Schmetterlingsmädchen“ mit dem harten Leben von Straßenkindern auseinander und dass sie sich damit auskennt, merkt man sofort. Celia, das titelgebende Schmetterlingsmädchen, hat es nicht leicht im Leben. Ihr Zuhause hat sie nicht ohne triftigen Grund verlassen und nun schlägt sie sich auf der Straße durch. Das bedeutet Hunger, Angst vor Übergriffen und davor, dass der Hunger sie wieder zwingt, ihren Körper zu verkaufen. Um all dem zu entkommen, hat sie ihre Schmetterlinge die sie beschützen und trösten, denn damals, als die Welt noch in Ordnung war, hat Celias Mutter ihr viel über die Tierchen erzählt. Jetzt liest sie alles über die buntgeflügelten Insekten, was sie in die Finger bekommt, die Bibliothek ist ihr einziger sicherer Hafen.
Sicher, jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen, aber es gibt Dinge, die machen einfach nur betroffen, wenn man sie liest. Natürlich weiß ich, dass es sich bei Celia um einen fiktiven Charakter handelt, trotzdem geht mir ihr Schicksal nahe, denn da draußen gibt es viele andere wie sie und die Autorin gibt denen, die immer wieder übersehen werden, eine Stimme. Kindern, denen daheim Gewalt angetan wurde und die nun lieber mit knurrendem Magen unter irgendeiner Brücke schlafen, die es riskieren, vergewaltigt oder ausgeraubt zu werden. Trotz allem lässt die Autorin ihre Heldin – ja, hier ist tatsächlich Celia und nicht etwa Naomi für mich die Heldin – nie die Hoffnung verlieren, denn mit ihrer kindlichen Fantasie hat sie sich einen Rückzugspunkt erschaffen, an den sie flüchten und Kraft tanken kann, wenn das Schicksal mal wieder hart zuschlägt. Wir alle brauchen unseren kleinen geheimen Ort der uns Kraft gibt.
Auch Naomis innere Zerissenheit wird im Buch immer wieder angesprochen, das hilft, ihre Handlungen nachzuvollziehen. Die „Kinderfinderin“ erlaubt sich nach den Erlebnissen in ihrer Kindheit einfach nicht glücklich sein. Überhaupt ist sie eine sehr vielschichtige Figur und genau das macht sie so interessant und auch wenn ich nicht immer ihre Sicht der Dinge teile, verstehe ich doch, was sie antreibt.
Zwei Frauen in denen die Dunkelheit tobt und die sich ähnlicher sind, als sie glauben, machen den ganz besonderen Reiz von „Das Schmetterlingsmädchen“ aus. Hinzu kommt die ruhige Erzählweise und der poetische Schreibstil von Rene Denfeld, der mich schon im Vorgänger gefesselt hat. Das Buch ist in der „Must Read“ Reihe des Festa Verlages erschienen, meiner bescheidenen Meinung nach übrigens völlig zu recht. Und obwohl man es durchaus ohne Vorkenntnisse lesen kann, empfehle ich mit „Das Schneemädchen“ zu beginnen, denn dort erfährt man so einiges über Naomis Geschichte.

Wie ihr seht, ist der Text diesmal etwas länger geworden, aber für mich ist „Das Schmetterlingsmädchen“, genauso wie „Das Schneemädchen“, einfach ein wahnsinnig intensives und bedrückendes Buch. Der Leser erhält einen tiefen Einblick in Celias und Naomis Gefühlswelt und obwohl die Ereignisse nur langsam in Gang kommen, wird es nie langweilig. Rene Denfield hat zwei wunderbare vielschichtige Charaktere erschaffen, die man ins Herz schließt, mit denen man mitfiebert und ihnen einfach nur ein happy End wünscht.
Freunde von Action und Blutvergießen kommen hier definitiv nicht auf ihre Kosten, dafür aber alle, die es lieben vollkommen in die Welt ihrer Lektüre einzutauchen. Dafür sorgt die Autrorin mit ihrem ruhigen, poetischen und atmosphärischen Schreibstil. Für mich ein echter Pageturner, der 4,5 von 5 Miezekatzen verdient.

01. „Das Schneemädchen“
02. „Das Schmetterlingsmädchen“

Please follow and like us:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert