„Die andere Frau“ – Michael Robotham

“ … Ich wünschte, es wäre mir egal, aber das ist es nicht. Ich habe einen Geist gesehen, und dieser Geist ist mein Vater. Ein überlebensgroßer Mann mit einem Herz aus Stein, der einmal auf einem Sockel stand, dessen Vermächtnis jetzt jedoch so beschmutzt und vollgeschissen ist wie ein Denkmal in London. …“ (Seite 278)

In den frühen Morgenstunden erhält der Psychologe Joe O’Loughlin einen alarmierenden Anruf: Sein Vater William ist Opfer eines brutalen Überfalls geworden und liegt im Koma. Joe eilt ins Krankenhaus – und hält schockiert inne, als er das Zimmer betritt. Denn am Bett seines Vaters sitzt nicht Joes Mutter Mary, sondern eine völlig Fremde, tränenüberströmt, mit blutbefleckten Kleidern und der absurden Behauptung, Williams Ehefrau zu sein. Wer ist sie wirklich? Bekannte, Geliebte, verwirrte Seele – Mörderin? Gegen den Willen der Polizei beginnt Joe, eigene Ermittlungen anzustellen. Und muss erkennen, dass er für die Wahrheit einen hohen Preis bezahlt …

Als Joe einen Anruf bekommt, dass sein Vater nach einem Treppensturz mit schweren Hirnverletzungen im Koma liegt, fährt er sofort ins Krankenhaus, auch wenn das Verhältnis zu ihm nie das beste war. Der Anblick des verkabelten Häufchen Elends im Bett erschreckt ihn, von dem herrischen Mann ist nicht mehr viel übrig. Und dann ist da noch die Frau, die an seinem Bett sitzt und behauptet, schon seit Jahren mit seinem Dad verheiratet zu sein.

Als Fan habe ich den 11. Band der Joe O’Loughlin Reihe natürlich gleich nach Erscheinen gekauft, ins Regal gestellt und ihn dann vergessen, aus den Augen, aus dem Sinn. Wäre ich beim Umräumen nicht zufällig auf das Buch gestoßen, würde er wohl heute noch doch stehen, aber so ist er auf meine Leseliste für dieses Jahr gewandert und war nun endlich fällig.
Joe habe ich bereits im ersten Band ins Herz geschlossen nachdem er zu dem selbstmordgefährdeten Teenager aufs Dach geklettert ist. Ihm nehme ich es nicht mal übel, wenn er sich über seine Krankheit auslässt, dabei bin ich kein Freund von Leuten, die sich selbst bemitleiden. Aber Joe darf das. Über seine Familie, speziell seinen Vater, war bisher recht wenig bekannt und genau das ändert sich jetzt, denn das Familienoberhaupt wird schweren Hirnverletzungen am Fuß der Treppe in seinem Haus gefunden. Wurde er gestoßen oder ist er gefallen? Und was macht er überhaupt in London? Die fremde Frau an seinem Bett, die behauptet, seine Ehefrau zu sein, ist nur der Gipfel des Eisberges und Joe muss auf schmerzhafte Art erkennen, dass auch in seiner Familie nicht alles so ist, wie es scheint.
„Die andere Frau“ unterscheidet sich von O’Loughlins anderen Fällen. War er bisher der Polizei in seinem Job als Psychologe bei der Aufklärung von Mordfällen behilflich, so ist diesmal sein Vater das vermeintliche Opfer. Der Mann, zu dem er nie eine richtige Bindung hatte, der zu Hause immer mit strenger Hand regierte und keine Liebe zeigen konnte. Doch William scheint auch eine andere Seite zu haben, das zumindest behauptet Olivia, seine „Zweitfrau“. Während Joe und seine Geschwister mit der Situation absolut nicht klarkommen, scheint seine Mutter keine weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Was verschweigt sie?
Joes aktuellster Fall ist zweifelsfrei sein persönlichster. Er ist immer noch nicht so ganz über den Tod seiner Frau hinweg und was der Unfall seines Vaters zu Tage bringt, reißt ihm förmlich den Boden unter den Füßen weg, weckt schmerzhafte Erinnerungen und zeigt, dass man niemanden wirklich kennt, nicht einmal die eigene Familie. Diese Erkenntnis ist bitter, zwingt ihn aber auch, sich zu positionieren und mit all dem umzugehen. Ich verstehe, wenn der eine oder andere dieses Buch nicht mag, es ist definitiv anders als die Vorgänger. Es steckt voller Zweifel, erschreckender Erkenntnisse und macht dennoch Mut, sich den unvorhergesehenen Problemen im Leben zu stellen, die immer wieder auftauchen und gerade deswegen fand ich es außergewöhnlich fesselnd, auch ohne großes Blutvergießen oder rätselhafte Morde, denn das braucht es nicht um festzustellen, dass manche Menschen Bestien sind.  

Ich habe lange kein Buch von Michael Robotham mehr gelesen und weiß auch gar nicht, warum „Die andere Frau“ so viel Zeit auf meinem SUB verbracht hat. Ich liebe Joe O’Loughlin nach wie vor und habe es genossen, tiefer in das Leben seiner Familie einzutauchen.Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen und auch die Erinnerung kann trügen. Ein großartiger Fall, gleichzeitig auch Joes persönlichster und mir verdiente 4,5 von 5 Miezekatzen wert.

01. „Adrenalin“
02. „Amnesie“
03. „Todeskampf“
04. „Dein Wille geschehe“
05. „Bis du stirbst“
06. „Todeswunsch“
07. „Der Insider“
08. „Sag, es tut dir leid“
09. „Erlöse mich“
10. „Der Schlafmacher“
11. „Die andere Frau“

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