„Oracle“ – Ursula Poznanski

“ … »Versuche dir vorzustellen«, sagte er vorsichtig, »wie es für dich wäre, wenn du deinen besten Freund vor einem tödlichen Unfall bewahren könntest und du es vermasselst. Wenn du weißt, was kommt, und es passieren lässt, bloß um ihn nicht zu verärgern. Wie es dir dann gehen würde, wenn die Nachricht kommt. Wie du dein Leben lang sagen würdest, dass du es hättest verhindern können.« … “ (Seite 306) 

Ich sehe was, was du nicht siehst, und das wird wahr
Als Kind hat Julian merkwürdige Visionen. Das sind nur Fehlschaltungen im Hirn, sagt seine Therapeutin, bedeutungslose Trugbilder. Und mit den richtigen Medikamenten sind die auch verschwunden. Jahre später wird Julian mit einer schockierenden Erkenntnis konfrontiert. Einige seiner Visionen scheinen wahr geworden zu sein. Sieht er Schatten, die die Zukunft vorauswirft? Könnte er also schlimme Ereignisse verhindern? Oder tritt er damit noch größere Katastrophen los?
Was wäre, wenn …
… die Zukunft in der Gegenwart Spuren hinterlässt? Die SPIEGEL-Bestsellerautorin präsentiert nach ihren zuletzt erschienenen Bestsellern Erebos 2Cryptos und Shelter ihren neuen Thriller: Oracle. Ein mitreißender All-Age-Thriller über Wahrheit und Visionen zwischen Medizin und MysteryUrsula Poznanski erzählt hochspannend und voller Wendungen vom Dilemma eines modernen Orakels.

Als Julian ins Studentenwohnheim zieht, setzt er seine Medikamente ab, die er verodnet bekam, weil er als Kind immer seltsame Visionen seiner Mitschüler hatte, die an bestimmten Körperteilen eine Art Farbmarkierung trugen. Jahre später muss er beim Klassentreffen entsetzt feststellen, dass die damals so gekennzeichneten Klassenkameraden Verletzungen an genau diesen Stellen erlitten haben. Ist das wirklich ein Zufall? Julian kann nicht daran glauben und bekommt es mit der Angst zu tun, als einige seiner Mitstudenten plötzlich auch diese Farbmale tragen, die nur er sehen kann.

Bei seinem Umzug ins Studentenwohnheim sieht Julian sie wieder, die Farben, die ihn in der Kindheit verfolgt haben. Schon damals haben sie und die Schatten Körperbereiche von einigen seiner Mitmenschen verhüllt und immer wieder ist denen etwas zugestoßen, sie sind also so etwas wie ein böses Omen.
Inzwischen nimmt Julian Medikamente, doch die neue Umgebung und der Zuspruch seines Zimmergenossen bringt ihn dazu, diese abzusetzen. Keine gute Idee, wie sich schon bald zeigt, denn sie sind zurück. Und nicht nur das, er sieht die seltsamen Auren ausgerechnet seinen Studienfreunden. Was soll er tun? Eingreifen oder darauf hoffen, dass er sich das alles nur einbildet seine Vorahnungen sich nicht eintreffen?
Ich mag Ursula Poznanski, ihre Bücher wissen immer zu fesseln, auch wenn sie eigentlich eher für ein jüngeres Zielpublikum ausgelegt sind. Außerdem sind Vorahnungen natürlich ein interessantes Thema, mit dem jeder schon so seine Erfahrungen gemacht hat, der eine mehr, der andere weniger, aber hoffentlich keiner so wie Protagonist Julian, denn der ist echt nicht zu beneiden. Ist seine Fähigkeit Segen oder Fluch? Ist es überhaupt eine Fähigkeit oder sind die Verletzungen, die die „markierten“ Leute erlitten haben einfach nur Zufall? Soll er seine Freunde warnen oder besser den Mund halten? Fragen über Fragen und keine richtige Antwort.
Julian tut mir leid, auch wenn ich es anfangs ein wenig schwierig fand, Zugang zu ihm zu finden, weil ich nicht so recht wusste, was sein Problem ist. Im Laufe der Zeit klärt sich das auf und es wird klar, warum er in seiner Kindheit als Sonderling galt und
sich von anderen lieber fern gehalten hat. Die Farben und Schatten oder Nebel, die er sieht, kurz Marker genannt, werden von der Autorin sehr gut beschrieben, so dass ich beim Lesen stets ein Bild vor Augen hatte und mich so in Julians Lage versetzen konnte. Im Studentenwohnheim will er nun diesen Kreislauf endlich durchbrechen und freundet sich mit Robin, mit dem er das Zimmer teilt, an. Der ist ein verrückter, bunter Vogel, den ich gleich ins Herz geschlossen habe, ebenso wie Pia und ihren Hund Kinksi. Kinski, was für ein Name für einen Hund, darauf muss man erstmal kommen. Schade nur, dass er nicht so wunderschön pöbeln konnte wie sein Namensvetter.^^ Ursula Poznanski hat hier liebenswerte Figuren erschaffen, mit denen man selbst gern abhängen, kochen oder Party machen möchte, das typische Studentenleben halt, aber natürlich gibt es auch die weniger sympathischen wie Lars, der Profit aus Julians Fähigkeit schlagen möchte und dabei vor nichts zurückschreckt. Oder …, ach was, lest es einfach selbst.
Insgesamt ist „Oracle“ ein spannendes Jugendbuch, bei dem ich mich immer wieder gefragt habe, wer wohl hinter all dem steckt und meine eigenen Vermutungen angestellt habe. Eines habe ich jedoch zu bemängeln: Julians Gegenspieler wird meiner Meinung nach einfach zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

„Oracle“ richtet sich vor allem an jugendliche Leser, hat aber auch mich gut unterhalten. Es geht unblutig und trotzdem spannend zur Sache, dafür sorgt neben den sehr unterschiedlichen Charakteren vor allem natürlich Julians außergewöhnliche Fähigkeit und der Zwiespalt, in dem er dadurch steckt. Etwas schade finde ich, dass es hier zwar einen Bösewicht gibt, der aber eher eine untergeordnete Rolle spielt, schade, zu ihm hätte ich gern mehr erfahren. Trotzdem habe ich auch in diesem Buch, so wie bei allen anderen Werken von Ursula Poznanski, wieder komplett in die Geschichte eingetaucht und habe mir zusammen mit Julian das Hirn zermartert, dafür vergebe ich 4 von 5 Miezekatzen.

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