„Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ – Shirley Jackson

“ … Ich dachte, vielleicht war Onkel Julian sogar sehr glücklich, wenn sich sowohl Constance als auch Tante Dorothy um ihn kümmerten, und ich nahm mir vor, dass mich lange dünne Gegenstände daran erinnern sollten, netter zu Onkel Julien zu sein. Heute würde ein Tag der langen dünnen Gegenstände werden, da ich bereits ein Haar in meiner Zahnbürste gefunden hatte und sich ein Stück Schnur an der Seite meines Stuhls verfangen hatte und ich hinten an der Küchentreppe einen abgebrochenen Splitter entdeckt hatte. …“ (Seite 94)

Merricat lebt am Rande eines Dorfes im Schloss der Familie Blackwood, nur in Gesellschaft ihrer Schwester Constance und dem wunderlichen Onkel Julian, der an den Rollstuhl gefesselt ist. Alle anderen Familienmitglieder wurden vergiftet. Merricat liebt die Ruhe im Schloss. Aber seit Constance vor Gericht freigesprochen wurde, den Rest der Familie ermordet zu haben, lässt die Welt den Blackwoods keinen Frieden mehr. Und als Cousin Charles auftaucht, voller falschem Getue und dem verzweifelten Bedürfnis, an den Inhalt des Familiensafes zu kommen, muss Merricat alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Schloss und seine Bewohner vor Schaden zu schützen …

Mary-Katherine, genannt Merricat, lebt zusammen mit ihrer älteren Schwester Constance und dem gebrechlichen Onkel Julian allein ein einem großen Herrenhaus, von dem nur einige wenige Zimmer genutzt werden. Früher war das einmal anders, da lebte aber auch der Rest der Familie noch. Jetzt ist Constance eine Geächtete, da sie eben jene vergiftet haben soll, lediglich die kleine Schwester und Julian sind mit dem Leben davongekommen, allerdings hat der Onkel auch eine Dosis Gift erwischt, sitzt nun im Rollstuhl und ist nicht mehr ganz klar im Kopf.
Sein einziger Lebensinhalt ist die Auflistung der Ereignisse damals, deren Aufzeichnung er sich penibel widmet. Constance hat jeden Kontakt zur Außenwelt abgebrochen, abgesehen von einer Tante, die ab und an mal auftaucht, sind die drei völlig auf sich allein gestellt und so ist es an Merricat, die Einkäufe im nahegelegenen Dorf zu tätigen und gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Als jedoch ein Cousin auftaucht, der das organisierte Leben der Schwestern völlig durcheinander bringt und Constance immer mehr vereinnahmt, ist für Merricat klar, dass er verschwinden muss, sie will unbedingt ihr altes geliebtes Leben zurück.

Warum hasst ein ganzer Ort drei Personen, die außerhalb des Dorfes auf einem alten Herrenhaus leben? Wer wirklich eine Antwort auf diese Frage erwartet, wird mit dem Buch vermutlich nicht glücklich werden, denn Fragen gibt es viele, das mit den Antworten ist allerdings so eine Sache…

Eine Geschichte aus der Sicht eines Kindes ist ja eigentlich nichts ungewöhnliches, gewöhnlich ist in „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ allerdings nichts. Merricat wird zwar die ganze Zeit über als sehr jung beschrieben, wie alt sie allerdings wirklich ist, wird nie erwähnt oder habe ich das einfach nur verdrängt?
Dass irgendwas mit ihr nicht stimmt, wird recht schnell klar, aber nicht nur mit ihr, die ganze noch verbliebene Familie erscheint merkwürdig. Da ist Julian, der ein Buch über die Giftmorde schreiben will und dem immer wieder eine neue Kleinigkeit zu jenem unglückseligen Abend einfällt, die er unbedingt notieren muss, fast schon zwanghaft. Constance hingegen kümmert sich um alle, hat sozusagen die Mutterrolle übernommen, aber auch bei ihr liegt so einiges im Argen.
Das größte Problem von allen hat jedoch Mary-Katherine, die Erzählerin.
Was kann man ihr also abkaufen, ist überhaupt irgendwas von ihrer Story real?

Hut ab, ich muss zugeben, Shirley Jackson schafft es, auch ohne Blut und Gemetzel eine Geschichte zu erzählen, die Gänsehaut verursacht, allerdings kann ich auch verstehen, dass nicht jeder etwas damit anfangen kann, die Meinung einiger Leser, die das Buch sehr „altmodisch“ geschrieben fanden, kann ich jedoch überhaupt nicht teilen, ich hatte keinerlei Probleme mit dem Schreibstil, dafür haben mich Merricats Ansichten immer wieder den Kopf schütteln lassen…
Das Cover mit der Wendeltreppe und dem roten Auge verdient übrigens auch eine Erwähnung, mir persönlich gefällt es sehr gut, es fängt die bedrohliche Stimmung perfekt ein.
Alles in allem 4 von 5 Miezekatzen für Shirley Jacksons kleines Meisterwerk, mal schauen, wie sich „Spuk in Hill House“ schlägt…

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