“ … Sie hatten sich selbst zu denjenigen ernannt, die die Suppe zubereiteten. Wir Restlichen wurden darin gekocht, während man uns einredete, dass uns lediglich warm sei, dass es einen Gott im Himmel gebe und die Welt in Ordnung sei, obwohl wir in Wahrheit nur existierten, damit wir mit der Suppenkelle in die Schüsseln unserer Meister gestoßen und von ihnen verspeist werden konnten. …“ (Seite 418)
Daniel Russell war erst 13 Jahre alt, als sein Vater versuchte, sich selbst und seinen Sohn zu töten. Er fuhr von einer Brücke direkt in die Fluten des Moon Lake in Ost-Texas. Doch wie durch ein Wunder überlebte der Junge.
Jahre später, nachdem er neue Informationen über sein Kindheitstrauma erhalten hat, kehrt Daniel zurück an den Moon Lake. Er hofft, das Auto und die Knochen seines Vaters bergen zu können.
Aber tief verborgen unter dem glitzernden Wasser des Sees entdeckt er etwas Schockierendes, das mit einer Reihe ungewöhnlicher Morde in Verbindung steht …
Nachdem sich sein Vater mit Daniel im Auto von der alten Brücke in den Moon Lake gestürzt hat, wird der Junge von einer schwarzen Meerjungfrau gerettet. Die entpuppt sich später als Ronnie Candles, die zusammen mit ihrem Vater das Auto ins Wasser stürzen sah und zu Hilfe eilte. Da Daniels einzige Verwandte, die Schwester seiner Mutter, gerade auf einer Reise ist, bleibt er einige Zeit bei der Familie. Als Jahre später der Wagen seines Vaters aus dem fast ausgetrockneten See geborgen wird, kehrt Daniel nach Hause zurück, um mit seiner Vergangenheit abzuschließen und stößt auf eine Menge Leichen und natürlich auch auf Ronnie, die inzwischen Polizistin ist.
Gleich zu Beginn, ich liebe Joe R. Lansdale und seine Coming of Age Stories, auch wenn das Grundgerüst immer gleich ist, es geht stets um ein Kind aus einer weißen Familie irgendwo in Texas, dass durch ein Erlebnis oder Unglück Hilfe von Farbigen erfährt und so feststellt, dass dies Schwarz-Weiß-Ding völliger Unsinn ist. Und er schafft es auch mit „Moon Lake“ erneut, mich zu begeistern.
Der erste Teil des Buches spielt im Jahre 1968 und erzählt von Daniels Leben bei den Candles nach dem Tod seines Vater. Der Junge hat viel mitgemacht, mit 13 bereits beide Eltern verloren zu haben, ist hart. Trotzdem fühlt er sich in Ronnies Familie wohl und wird dort komplett als vollwertiges Mitglied in den Alltag integriert. Die Familie ist liebevoll und fürsorglich, man muss sie einfach ins Herz schließen.
Als 10 Jahre später das Auto seines Vaters aus dem Moon Lake geborgen wird, kehrt Daniel heim. Er ist erwachsen geworden und will endlich eine Antwort darauf, was damals passiert ist, doch mit seinen Nachforschungen sticht er in ein Wespennest.
Die Charaktere haben auch in der Gegenwart, wenn man denn 1978 so bezeichnen kann, nichts an ihrer Faszination verloren, doch man spürt, dass sich etwas geändert hat, dass sich ein über dem kleinen Städtchen Unwetter zusammenbraut. Das geschieht schleichend, aber keineswegs langweilig, denn Lansdale ist ein brillanter Erzähler und auch wenn ich zu der Zeit, in der seine Helden Kinder waren noch gar nicht auf der Welt war, werde ich immer ein bisschen wehmütig und fühle mich in meine eigene Kindheit zurückversetzt, das beherrscht keiner so gut wie er.
So springt „Moon Lake“ zwischen Kindheitserinnerungen und Mordfällen hin und her, ist mal rührend, mal poetisch, vor allem aber immer spannend, auch wenn der kleine Ausflug ins Mystische meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wäre, aber darüber kann man sich sicherlich streiten.
Unbedingt zu erwähnen wäre außerdem noch, dass der Festa Verlag neben der „normalen“ Ausgabe in der Must Read Reihe noch eine Vorzugsausgabe herausgebracht hat, die signiert, illustriert und limitiert ist. Mit dem stolzen Preis von 79,99 € ist die zwar nicht Schnäppchen, aber allein schon für die tolle Aufmachung jeden Cent wert und natürlich stehen bei mir beide Bücher im Regal.
Wer Coming of Age Geschichten mag, kann bei Joe R. Lansdale einfach nichts falsch machen. Leider wird der Autor hierzulande nicht genug gewürdigt, wie ich finde, anders kann ich mir sein Herumreichen von Verlag zu Verlag einfach nicht erklären. Ich hoffe, er findet beim Festa Verlag endlich das Lesepublikum, dass ihn zu schätzen weiß, ich für meinen Teil tue das bereits, seit ich „Ein tiefer dunkler Riss“, mein damals erstes Buch von ihm gelesen habe. Auch bei „Moon Lake“ habe ich wieder das bekommen, was ich erwartet habe, eine wundervoll erzählte Geschichte, 4,5 von 5 Miezekatzen.