„Die Hazienda“ – Isabel Cañas

“ … Das Haus hatte sich verändert. War es zuvor zusammengesunken gewesen, die Gliedmaßen eines Tieres im Winterschlaf, um einen zentralen Flügel zusammengerollt, seine Gedanken ziellos umherschweifend …
… war es nun erwacht. …“ (Seite 218)

In den Wirren des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges wurde der Vater von Beatriz zu Unrecht hingerichtet und ihr Elternhaus zerstört. Als Don Rodolfo Solórzano ihr einen Heiratsantrag macht, hofft Beatriz, dass sie mit ihm wieder Sicherheit und Glück findet. Sie ignoriert die seltsamen Gerüchte über den Tod seiner ersten Frau und zieht zu ihm auf die prächtige Hazienda in San Isidro.
Doch als Rodolfo sie allein in dem abgelegenen Haus zurücklässt, wird Beatriz von unheimlichen Visionen heimgesucht. Sie hört Stimmen und fühlt sich beobachtet.
Ihre Schwägerin Juana verspottet sie und besteht darauf, dass dies Anzeichen dafür sind, dass Beatriz den Verstand verliert. Aber warum weigert sie sich, das Haus in der Nacht zu betreten? Warum zeichnet die Haushälterin seltsame Symbole auf die Türschwelle und verbrennt Weihrauch?
In ihrer Verzweiflung wendet sich Beatriz an Padre Andrés. Er will einen Exorzismus durchführen, um den Geist der ersten Señora Solórzano aus der Hazienda zu verbannen …

Erst Held, dann Verräter, als der Vater von Beatriz hingerichtet wird, verliert die Familie alles. Um ihrer Mutter ein gutes Leben bieten zu können, heiratet sie den Gutsbesitzer Don Rodolfo. Der ist geschäftlich unterwegs und so bleibt sie allein auf der maroden Hazienda zurück. Dort hört sie nicht nur Gerüchte über den Tod ihrer Vorgängerin, sondern bald auch Stimmen und sucht Hilfe bei Padre Andrés. Doch auch der hat ein Geheimnis …

Nach der Hinrichtung des Vaters sind Beatriz und ihre Mutter bei der Tante untergekommen, die ihre Gäste immer wieder spüren lässt, dass sie nicht willkommen sind. Um dem zu entkommen, heiratet die junge Frau den Grundbesitzer Don Rodolfo und will ihre Mutter nachholen, sobald sie sich auf der Hazienda eingerichtet hat. Doch schon bei der Ankunft muss Beatriz erkennen, dass das Anwesen nicht so gut in Schuss ist wie erhofft. Auch ihre Schwägerin Juana entspricht nicht unbedingt ihren Erwartungen, denn statt einer feinen Dame trifft sie auf eine burschikose Frau. Da ihr Mann ständig in Geschäftsangelegenheiten unterwegs ist, bleibt sie schon bald allein in dem großen heruntergekommenen Haus zurück. Sie sucht Kontakt zu den Angestellten, erfährt vom seltsamen Tod der ersten Frau ihres Mannes, fühlt sich beobachtet und hört Stimmen. Sie fürchtet sich, kann nicht mehr schlafen und sucht schließlich Hilfe in Kirche, wo sie auf den jungen Padre Andrés trifft, der ihr helfen will, während alle anderen sie für verrückt halten.
Eine Spukhausgeschichte in Mexiko, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, war klar, dass „Die Hazienda“ einfach hier einziehen musste. 
Anfangs hatte ich so meine Probleme mit dem doch etwas ausschweifenden Schreibstil von Isabel Cañas, habe aber dann festgestellt, dass er wunderbar zu der Geschichte passt, die beide Protagonisten abwechselnd erzählen. Natürlich war klar, dass die einsame Frau und der ausgestoßene Geistliche sich näher kommen, allerdings tritt die Liebesgeschichte nie in den Vordergrund, damit kann ich gut leben. Mit den Beiden hat die Autorin tolle, vielschichtige und sympathische Figuren geschaffen, mit denen man von Anfang an mitbangt. Auf der einen Seite ist da die vom Schicksal gebeutelte Frau, die für materielle Sicherheit einen Mann heiratet, der ihr völlig fremd ist, nur um dann ein einsames Leben auf dessen Hazienda zu fristen, in der die Geister der Vergangenheit spuken. Auf der anderen Andrés und auch der hat so einiges mitgemacht, wie sich im Verlauf des Buches zeigt. Er ist so viel mehr als der unbedeutende Kirchenvertreter, der er zu sein scheint, denn als Einheimischer ist er in einem anderen Glauben aufgewachsen und geht die Dinge dementsprechend anders an. Geister, Hexen, Aberglaube, Rituale, all das findet sich in der Geschichte wieder und hat mich begeistert. Wer jedoch auf Gewalt und Brutalität hofft, wartet hier vergebens, der Horror schlägt hier eher leise Töne an, die bedrohliche Grundstimmung aber ist von Anfang an da und steigert sich zum Ende hin.
Und als wäre das noch nicht genug, bietet die Autorin ihren Lesern außerdem einen kleinen Ausflug in die mexikanische Geschichte. Auch wenn im Klappentext „in den Wirren des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges“ steht, spielt „Die Hazienda“ danach, nämlich 1823, da war der Krieg bereits 2 Jahre vorbei, das Chaos reagiert allerdings immer noch. Für das gemeine Volk hat sich nicht viel geändert, es herrscht noch immer eine strikte Hierarchie, der einzelne (Farm)Arbeiter ist nichts wert, ebenso die, die aus „gemischtrassigen“ Beziehungen hervorgegangen sind. Der Leser bekommt hier also nicht nur eine Spukhausgeschichte, sondern ebenso etwas für Herz und einen Einblick in die gesellschaftlichen Zustände Mexikos zu jener Zeit.

„Die Hazienda“ ist definitiv nichts für Freunde der harten Kost, wer allerdings Horror auf leisen Sohlen mag, der sich Schritt für Schritt in den Alltag schleicht und nebenbei noch etwas über den Glauben und die Geschichte Mexikos erfahren möchte, ist hier genau richtig. Ein tolles Buch für verregnete Herbsttage, für das es von mir 4 von 5 Miezekatzen gibt.

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