„Von Wunden und Wahnsinn“ – Clarissa Kühnberger

“ … dort, wo viele Menschen unter schlimmen Bedingungen sterben, neigen die Leute dazu, Geschichten zu erfinden.
Flüsternde Stimmen im Nebel, Schatten am Wegesrand … solche Sachen eben. …“

Wahnsinn beginnt nicht laut, er beginnt mit einem Flüstern.
Alte Legenden, Orte ohne Hoffnung, zehrende Spukhäuser und Erinnerungen, die besser verborgen geblieben wären: Von Wunden und Wahnsinn erzählt von der Finsternis, die unter der Oberfläche lauert und davon, was geschieht, wenn sie sich zu regen beginnt. Realität und Wahn verschwimmen in dreizehn albtraumhaften Kurzgeschichten, die dich an Orte führt, die finsterer sind als die Dunkelheit selbst.
Manche Geschichten hören erst auf zu flüstern, wenn man sie liest. Und manche Wunden … heilen nie.

Diese Anthologie vereint 9 Kurzgeschichten und 4 Flash Fictions, in denen das Grauen viele Gestalten annimmt. Erlebe Horror in all seinen Facetten:
• Dystopischer Kannibalismus-Horror (ohne Gore)Folklore-Horror
Mystery- und Paranormal-Horror
Noir-Horror
 Psychopathen und Spukhäuser
Body-Horror, Dämonen, Monster, Grusel
Diese Sammlung führt dich an Orte, an die man besser nicht besucht. Für Leserinnen und Leser, die keine Albträume scheuen.

Anthologien sind ein bisschen wie die Speisekarte eines guten Restaurants, bei manchen Gerichten / Titeln hat man sofort ein Bild vor Augen oder einen Geruch in der Nase, bei anderen muss man sich erstmal einlesen. Nicht jeder mag die Empfehlung des Hauses, die gleich ganz oben steht, aber gut, Menschenfleisch ist ja auch Geschmackssache und nicht jeder mag sein Fleisch blutig, zum Glück ist da noch genug Auswahl und man hat es schwer, sich zu entscheiden, aber eist ist am Ende sogar noch Platz für ein Dessert.^^
Sorry für meinen kleinen Ausflug in die Welt der Speisen, aber während ich diese Rezension tippe, warte ich auf mein Essen, das gefühlt seit Stunden im Backofen vor sich hinbrutzelt und hier seine Aromen verbreitet, echt mies, wenn man Hunger hat.
Und mit Hunger kennen sich auch die Figuren in Clarissa Kühnbergers neuer Horror-Anthologie aus. Sei es der Hunger auf Fleisch, Rache oder Wissen, sie alle werden davon geplagt, wie ich schnell feststelle.
Gleich zu Beginn katapultiert mich die Autorin in „Die schwarze Ernte“ in eine postapokalyptische Welt, in der jeder Opfer bringen muss, um zu überleben. Auch wenn es hier nicht übertrieben blutig zugeht, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass das mit dem Kopfkino nochmal eine ganz andere Sache ist. Wer also einen schwachen Magen hat, sei hiermit vorgewarnt. Doch Kannibalismus ist nur ein Thema von vielen. Da ist zum Beispiel Dave, der beim Mitternachtsbier schlurfende Gestalten an seinem Fenster vorbeitorkeln sieht, Lennart, der eine alte Kamera kauft oder Paul, der mit seiner kleinen Tochter in ein altes Anwesen zieht und dort eine gruselige alte Frau am Fenster erblickt. Natürlich darf in einer Anthologie die Spukhausgeschichte nicht fehlen, wo kämen wir denn da hin.^^
Clarissa hat einen sehr bildhaften Schreibstil, der mich tief in die Geschichten eintauchen lässt, von denen manche nur knapp über eine Seite lang sind und es trotzdem schaffen, dass ich mich unwohl fühle, eben weil es so nicht schwer ist, sich in den jeweiligen Charakter hineinzuversetzen und das kann verdammt unangenehm werden, Krabbeltierchen sind da noch das geringste Problem. Ein weiterer Pluspunkt für mich ist, dass die Autorin sich auch von bekannten Schauplätzen wie dem Cecil Hotel in Los Angeles inspirieren ließ, dass 2013 nach dem Verschwinden von Elisa Lam Schlagzeilen gemacht hat. Es wird also niemanden wundern, dass „In Cecils Schatten“ eine meiner Lieblingsstorys ist, aber auch „Die Frau im Fenster“ fand ich toll oder „Die durch die Nacht wandeln“. Normalerweise  haben Kurzgeschichtensammlungen immer so ein oder zwei Beiträge, die gar nicht zu gefallen wissen, hier allerdings kann ich keine benennen.
Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Freund von Nachworten bin, in denen der Autor oder die Autorin auf die Entstehung seiner/ihrer Werke eingeht und genau das hat Clarissa hier getan. Dass sie darin außerdem andeutet, dass manche der Geschichten vielleicht noch nicht auserzählt sind, macht das Ganze noch viel besser.

PS: Mir ist übrigens der Apetit auch nach dieser Lektüre nicht vergangen, dem einen oder anderen könnten die Geschichten allerdings auf den Magen schlagen.^^

Cover und Klappentext halten, was sie versprechen, von Gänsehaut bis Ekel ist in „Von Wunden und Wahnsinn“ alles vertreten, was das Horrorgenre zu bieten hat und das Herz begeht, angefangen von Spukhäusern über wandelnde Toten bis hin zu Dämonen. Für diese gelungene Mischung vergebe ich gern 4,5 von 5 Miezekatzen.

Please follow and like us:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert