„Auf dem Pfad der Qualen“ – Chandler Morrison

“ … » Ich glaube, du weißt nicht einmal, dass du das tust. Aber du tust es. Seltsam, dass du Schauspieler so verachtest, du bist nämlich der beste, den ich kenne. Du bist so gut, dass du nicht einmal merkst, dass du spielst. Du verstehst nicht, dass du nicht der bist, der du vorgibst zu sein.« … “  (Seite 95)

Ty Seward ist ein kranker Mann. Magersüchtig, von Krebs gezeichnet und heimgesucht von einer gespenstischen Erscheinung, die in seinem Schrank haust. Den mickrigen Lebensunterhalt verdient er als Assistent seines Onkels, der die verdorbene Hollywood-Elite mit jungen Mädchen versorgt.
Als Ty sich mit der 14-jährigen Beatrice anfreundet, ist er gezwungen, sich seinen verdrängten Traumata zu stellen. So beginnt seine düstere und erschütternde Odyssee der Selbstfindung …

Die Welt, in der wir leben, ist von einer Hässlichkeit durchzogen, die selbst die fantasievollsten Autoren nicht heraufbeschwören können. Chandler Morrison versucht es und geht dafür wie einst der Marquis de Sade an die Grenzen des Beschreibbaren. Deshalb: Bitte lass das Buch nicht in die Hände von Kindern oder Jugendlichen gelangen!

Schon Matthew Stokoe hat in „High Life“ gezeigt, dass auch in der Welt der Schönen und Reichen nicht alles Gold ist, was glänzt. Wer Geld und Macht hat, kann sich all seine Wünsche erfüllen, selbst wenn sie noch so abartig sind. Und Ty kennt sich in dem Metier aus, denn sein Onkel Arthur ist ein bekannter Hollywood-Produzent. Zumindest glauben das die meisten, aber er ist noch so viel mehr.
Beim Vorsprechen für einen Werbespott trifft Ty zum ersten Mal auf die 14-jährige Beatrice und sofort weiß er, dieses Mädchen ist etwas Besonderes. Er will sie beschützen, doch Arthur hat bereits seine Fühler nach ihr ausgestreckt.

Bereits in „Dead Inside“ hat mich Chandler Morrison dazu gebracht, Mitleid mit seinen „Helden“ zu haben, obwohl sie zutiefst gestört waren und Dinger getan haben, über die man besser nicht nachdenkt. Und doch waren sie so verloren, so einsam, so zerbrechlich. „Auf dem Pfad der Qualen“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, erneut steht ein total kaputter Charakter im Mittelpunkt, ein Mann, den man nach all den Dingen, die man über ihn erfährt eigentlich verabscheuen sollte und trotzdem kommt man nicht umhin, Mitleid mit Ty zu haben. Auch er ist allein, hoffnungslos, voller Selbstzweifel. Seine Krebserkrankung hat eine Seite in ihm zum Schwingen gebracht, die er verabscheut und deren Macht er sich dennoch nicht entziehen kann und gemessen an seinem Onkel ist er ein wahrer Unschuldsengel.
Überhaupt spielt Unschuld eine große Rolle in diesem Buch, ebenso wie zerbrochene Träume. Das Leben ist kein Ponyhof, das lernt man in L.A. schon früh und wenn man etwas erreichen will, muss man bestimmte Gegenleistungen erbringen. Dinge, die Seelen zerstören, deren Folgen man ein Leben lang mit sich herumträgt wie ein viel zu schweres Gepäckstück, das einen irgendwann mit in den Abgrund reißt.
Als Ty Beatrice zum ersten Mal trifft, ist sie wie ein Sonnenstrahl in seiner düsteren Welt, doch er weiß, welches Schicksal sie erwartet und nur dieses eine Mal will er etwas tun. Genau das macht ihn menschlich, denn trotz seiner inneren Leere erkennt er, dass in Hollywood eben nichts so ist, wie es scheint, dass Menschen Masken tragen, hinter denen sich wahre Monster verbergen.
Mit dem Thema Kindesmissbrauch packt der Autor ein heißes Eisen an und bringt seine Leser einige Male an die Grenze des Ertragbaren und darüber hinaus. Seine Figuren haben Tiefe,  besonders natürlich das Dreiergespann Arthur, Ty und Beatrice, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch haben sie etwas gemeinsam.
„Auf dem Pfad der Qualen“ ist in der Festa Extrem Reihe erschienen und genau da gehört es hin, denn es wirft einen Blick in eine verstörende, brutale Welt, in der mit Geld alles käuflich ist.

Puh, das war ein wahrer Höllentrip. Nachdem ich das Buch beendet hatte, habe ich mich ernsthaft gefragt, ob es darin auch nur einen gibt, der zumindest halbwegs normal tickt. „Auf dem Pfad der Qualen“ ist wie ein Schlag in die Magengrube, schmerzhaft, man möchte permanent kotzen und trotzdem kann es nicht weglegen, das muss man als Autor erstmal hinkriegen. Also Hut ab, Chandler Morrison, schon zum zweiten Mal spukt mir die Geschichte auch Tage nach dem Lesen noch im Hirn herum und dafür gibt es wohlverdiente 4,5 von 5 Miezekatzen.

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