„Eins, Zwei … hörst du ihren Schrei?“ – Andrea Reinhardt

“ … Dann wurde ich stundenlang geschminkt, worauf ich aussah wie eine Mischung aus einer traurigen Puppe und einem Clown. Im Livestream sollte ich dann zu diversen Musikstücken tanzen. Und manchmal stellte Mama mich bloß. … „

Die Puppe weint, das Kind vergeht, in Dunkelheit der Schmerz besteht …

Das Internet liebt es, wenn “Puppe Madeleine” für die Zuschauer tanzt und sich in ihren knappen Kleidchen präsentiert. Das Mädchen unter dem Make-up erfährt aber nicht nur Bewunderung in ihrem Umfeld. Im Streit zwischen ihrer Mutter und dem Jugendamt verschwindet sie plötzlich.
Kommissar Matthias Kron wird Jahre später nicht über Akten in seinen nächsten Fall gezogen, sondern ist gleich mitten im Geschehen. Bei einem eigentlich entspannten Tag mit seinen Kindern im Park taucht ein Mädchen auf, das alle um sie herum erstarren lässt. Sie trägt übertriebenes Make-up, ist gekleidet wie eine Puppe und hinterlässt blutige Fußabdrücke auf dem Asphalt.
Sie ist eines von einer ganzen Reihe an jungen Mädchen, die vermisst werden. Alle kehren auf mysteriöse Weise verändert zurück – und erst, nachdem Blut geflossen ist. Doch wer hält in diesem perfiden Spiel die Fäden in der Hand?

Mathias Kron hat noch immerr mit dem Tod seiner Frau zu kämpfen, genauso wie seine beiden Kinder. Als die drei auf einem Spielplatz sind, taucht plötzlich ein Mädchen auf, das wie eine Puppe geschminkt und angezogen ist. Ihr weißes Kleid ist voller Blutflecke und auf ihrem Rücken ist ein Zettel befestigt, auf dem nur „Es ist erledigt“ steht. Das ist erstmal die einzige Spur.

Für ihre Mutter ist sie nichts weiter als eine Puppe, mit der sie im Internet Geld verdienen kann. Dass sich ihre Tochter dabei nicht wohlfühlt, interessiert sie nicht. Andere aber schon ..
In ihrem neuesten Thriller widmet sich Andrea Reinhardt wieder einem sehr polarisierendem Thema, das aufwühlt, allein schon, weil es um Kinder geht. Spannend von der ersten Seite an, spielt die Geschichte auf drei Zeitebenen.
Im Jahr 2008 begleitet der Leser ein Mädchen, dass von  ihrer Mutter dafür benutzt wird, Geld im Internet zu verdienen, indem sie ihre Tochter wie eine Puppe schminkt und tanzen lässt, nur um sich dann selbst darüber lustig zu machen. Das Interesse im Netz ist groß, die Leute lieben „Puppe Madeleine“. “ 2022 wird Chiara beim Spielen im Schnee von einer Frau angesprochen, die behauptet, eine Freundin ihrer Mutter zu sein und zu der sie, nichts Böses ahnend, ins Auto steigt und schließlich trifft Mathias 2023 auf das verstörte verkleidete Kind.
Mich persönlich hat die Leidensgeschichte von „Puppe Madeleine“ am meisten mitgenommen, denn das Mädchen erzählt davon, wie ihre Mutter Stück für Stück zum einem geldgeilen Monster wird, das sie dennoch liebt und deswegen alles tut, um ihr zu gefallen. Das macht betroffen, zeigt schonungslos, was passiert, wenn man Kinder im Internet vorführt und wie sehr die dann darunter leiden müssen, eine wirklich emotionale Achterbahnfahrt.  Gerade als Mutter ist das sehr aufwühlend, ich habe mich immer wieder gefragt, wie verdammt gefühlskalt man sein muss, sein Kind in einer lächerlicher Aufmachung vor die Kamera zu zwingen, wohl wissend, wie sehr es darunter leidet. Puh, an sich schon harter Tobak, aber auch das Geschehen in der Gegenwart ist nicht weniger grausam.
Abgesehen von Mathias Kron, den ich ja schon aus den vergangenen 3 Bänden der Reihe kenne, hat Andrea Reinhardt auch hier wieder sehr lebendige, tiefgründige Figuren erschaffen, die man entweder gleich ins Herz schließt oder verabscheut. Sie hält den Spannungsbogen kontinuierlich oben, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann und sich fühlt, als wäre man selbst mitten im Geschehen, was hier teilweise sehr bedrückend ist und wirklich betroffen macht. Man sollte eben nie vergessen: Was einmal im Internet ist, bleibt auch dort, also Vorsicht beim Umgang mit den sozialen Medien.

Auch der 4. Teil der „Tick Tock … tot“ Reihe weiß wieder zu überzeugen, erinnert mich aber schon etwas ein anderes Buch der Autorin, allerdings nicht genug, um mein Lesevergnügen zu mindern. Wobei Vergnügen bei diesem Thema eigentlich das falsche Wort ist, denn „Eins, Zwei … hörst du ihren Schrei?“ ist aufwühlend, macht betroffen und rüttelt hoffentlich auch auf, denn leider sind solche Fälle keine Fiktion. Ich vergebe dafür 4 von 5 Miezekatzen.

01. „Fünf, Vier … gleich sterben wir“
02. „Neun, Zehn … ich will dich sterben seh’n“
03. „Sieben, Acht … blutig ist die Winternacht“
04. „Eins, Zwei … hörst du ihren Schrei?“

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