„Das Mädchen“ – Rebekah Stoke

“ … Helen nahm ihre Sonnenbrille ab, sah ihm sehnsüchtig nach und hatte in ihrem Herzen noch so viel Liebe und Verständnis für ihn. Er hätte ihr geholfen, damals, da war sie sich sicher.
Doch er war zu klein gewesen. …“

„Du hast dem Mädchen jedes Recht und jede Würde genommen …
… hast es gelehrt, ein Monster zu sein …“

In Hackettville, Louisiana, kennt man die erwachsene Frau, die vor wenigen Jahren hergezogen ist, nur als das Mädchen.
Das Mädchen, das allein in einem einsamen Haus am Wald lebt und niemanden dort hinein lässt.
Das Mädchen, das nie über seine Vergangenheit redet.
Das Mädchen, das nach Rache dürstet.
Als Tuck, der Sohn des Witwers Aiden Meyer, behauptet, durch ein Loch im Rollo in ihrem Haus eine bestialisch entstellte Leiche gesehen zu haben, glaubt sein Vater ihm nicht. Stattdessen fühlt er sich der vermeintlichen „Mörderin“, wie das Mädchen von den Schuljungs betitelt wird, verbunden. Verliebt sich sogar in Helen Brown, wie sie tatsächlich heißt.
Doch die Hinweise darauf, dass Tuck recht hat, verhärten sich schnell und Aiden erfährt die Wahrheit über das grausame und abscheuliche Geheimnis des Mädchens, das noch immer keine Ruhe gibt: Denn alles, wofür sie lebt, ist Rache …

„… und für all das sollst du büßen und elendig sterben.“

Helen lebt seit einigen Jahre zurückgezogen der Kleinstadt Hackettville, sie lässt niemanden an sich heran und das aus gutem Grund. Seit Jahren plant sie ihre Rache und als der perfekte Zeitpunkt gekommen ist, kommt ihr ausgerechnet ein Mann in die Quere. Für kurze Zeit gelingt es Helen tatsächlich, eine fast normale Beziehung zu führen, doch als sie erkennt, dass sie ihr eigentliches Ziel langsam aus den Augen verliert, muss sie handeln, für Liebe ist kein Platz in ihrem Leben …

Endlich wieder was Neues von Rebekah Stoke, eigentlich wollte ich ja erst noch „Blutbringer“ von Paul Cleave zu Ende lesen, aber irgendwie hat es mir zu sehr in den Fingern gejuckt, ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte  weitergeht. 
Schon in „Der Junge“ hat der Leser erfahren, dass es damals drei Geschwister gab, die unter unschönen Bedingungen aufgewachsen sind, im Vorgänger ging es nur um Billy und Amanda, diesmal kommt die älteste zu Wort, Helen, nur das Mädchen genannt, obwohl sie mit fast 40 schon lange keins mehr ist. Und Helen hat nur noch ein Ziel im Leben, Rache an allen die ihr wehgetan haben.
Berechnend und kaltherzig setzt sie ihren Plan in die Tat um, man ahnt, dass sie etwas schlimmes erlebt haben muss, um so dermaßen abzustumpfen, wird aber lange auf die Folter gespannt. Doch genau das macht den Reiz aus, denn irgendwie wird man ins kalte Wasser geschubst. Was ist Helen? Ein eiskalter Racheengel oder eine gebrochene Frau? Was ist ihr passiert und warum hat ihre Schwester solche Angst vor ihr?
Eins muss ich sagen, Rebekah Stoke hat es in „Der Junge“ geschafft, dass ich Amanda sehr mochte und mich die ganze Zeit über gefragt habe, was ihr Geheimnis ist. Natürlich werde ich dazu nichts verraten, die Idee dahinter halte ich allerdings für ziemlich genial, wer beide Bücher gelesen hat, weiß genau, was ich meine. Nicht immer ist alles so, wie es auf den ersten Blick scheint.
Das Mädchen“ beginnt bereits vor Amandas Umzug in das neue Haus, ein paar Ereignisse erlebt  man hier noch einmal aus einer anderen Perspektive oder liest, wie es dazu kam. Ein geschickter Schachzug der Autorin, sie hat es außerdem mal wieder geschafft, mich fassungslos den Kopf schütteln zu lassen über Dinge, die Menschen einander antun. Zart besaitet sollte man also auch diesmal nicht sein.
Neben Amanda und Billy spielen in „Das Mädchen“ vor allem Aiden und sein Sohn Tuck eine wichtige Rolle, sie sind sozusagen die Eindringlinge in die abgeschirmte Welt des Mädchens. Während Tuck der typische Teenager ist, dezent nervig und fest entschlossen davon, seinen Vater davon zu überzeugen, dass mit seiner neuen Flamme etwas nicht stimmt, ist der mir irgendwie einen Ticken zu perfekt, zu verständnisvoll …
Während ich mir im ersten Teil des Buches nicht so ganz klar war, was ich von Helen halten sollte, ändert sich das mit dem zweiten, der einen Blick in die Vergangenheit wirft und einfach nur wütend und traurig macht, am liebsten wäre ich mit ihr losgezogen und ja, ich bin ein verdammt nachtragender Mensch.^^
Ach ja, und auch wenn man „Das Mädchen“ ohne den Vorgänger lesen kann, würde ich empfehlen, mit „Der Junge“ zu beginnen, sonst verpasst man gerade das, was das Buch ausmacht. 

Erneut hat es Rebekah Stoke geschafft, dass ich nach der Lektüre des Buches mit gemischten Gefühlen dastehe. Wie weit darf man gehen, um sich zu rächen? Fühlt man sich danach besser? Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich Helens Art und Weise feiern oder verurteilen soll.
Aber genau das macht ein gutes Buch aus, es lässt einen über das Gelesene nachdenken, auch darüber, wie man selbst in so einer Situation handeln würde. Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung. 
„Das Mädchen“ ist mit Sicherheit nicht für jeden geeignet, schon allein aufgrund der Thematik, Gewalt gegen Kinder lässt einen eben nicht kalt. Wer damit nicht umgehen kann, sollte die Hände vom Buch lassen, allen anderen hingegen kann ich es nur wärmstens ans Herz legen und vergebe 4,5 von 5 Miezekatzen.

01. „Der Junge“
02. „Das Mädchen“

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